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Hrant Dink Forum Köln

Dankesrede "Hrant Dink"-Preis 2020


 

Anlässlich der Verleihung des diesjährigen Hrant Dink-Preises am 15. September hat Osman Kavala von seiner Gefängnis-Zelle aus ein bemerkenswertes Dankesschreiben an die Hrant Dink Stiftung geschickt.

Er skizziert darin in prägnanter Form die prekäre Situation der Demokratie und Menschenrechte in der Türkei, und verweist auf die möglichen Folgen für die kommenden Generationen:

*

Es ist mir eine große Ehre, den Hrant Dink-Preis zu erhalten. Dafür möchte ich den Mitgliedern der Jury herzlich danken. In letzter Zeit habe ich in meiner Zelle im Gefängnis mehr denn je das Bedürfnis nach Hrants Gesellschaft. Mit dieser Auszeichnung werde ich mich ihm noch näher fühlen.

Ich bin nicht, wie Hrant und einige Verteidiger der Menschenrechte, auf deren Bekanntschaft ich stolz bin, jemand, der sein ganzes Leben dem Kampf für Rechte und Freiheiten gewidmet hat. Aber ich kann sagen, dass ich bei allem, was ich unternommen habe, bemüht war, den Grundsatz der Gleichheit zu respektieren und das Bewusstsein für Menschen- und Minderheitenrechte zu schärfen. Ich glaube in der Tat, dass wir durch Vernunft, durch Zuhören und Dialog die Vorurteile überwinden können, die zwischen verschiedenen Teilen einer Gesellschaft und zwischen Menschen bestehen, die in verschiedenen Ländern leben. Ich denke, dass einer der Beiträge, die Kunst und Literatur den Menschen vermitteln können, der Erwerb dieser Fähigkeiten sein dürfte. In der Stiftung Anadolu Kültür konnten wir gemeinsam mit meinen Freunden eine Reihe von Projekten durchführen, die, so meine ich, diesen Zielen gewidmet waren...

►Die vollständige Version der Dankesrede von Osman Kavala auf Deutsch, Englisch und Französisch

Foto © Agos

 

 

 

InfoMail 17. September 2020                                                   ► Online-Version anzeigen

 

◾ "Es reicht! Wir haben Platz!"
◾ "Frieden im Mittelmeer - Solidarität mit Demokraten in der Türkei"
◾ Meinungsfreiheit: Bericht prangert Zensur an
◾ Entspannung im Gasstreit?
◾ Türkische Lira auf Rekordtief
◾ Femizide nehmen zu
◾ Ausstellung: Fotografien von Orhan Pamuk
◾ Wir erzählen lieber selber - Regisseur*innen zeigen ihre Filme
◾ Buchfestival Kıraathane
◾ Online-Ausstellung: "Architekten im türkischen Exil"
◾ Maşallah Dortmund - Tunay Önder
◾ Buchempfehlung: "Refugee Routes"

 

 

 

PEN-Zentrum Deutschland
Deutsche Journalist*innen Union/ver.di
Deutscher Journalisten-Verband DJV
Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.
und
KulturForum TürkeiDeutschland:

 

Aufruf:
"Frieden im Mittelmeer -
Solidarität mit Demokraten in der Türkei"

In der Türkei haben 101 bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens einen eindringlichen Appell an die demokratische Opposition veröffentlicht, in der sie für Frieden, Demokratie und Menschenrechte eintreten, und dabei die türkische Regierungspartei AKP aber auch die Oppositionsparteien scharf kritisieren.

Sie appellieren an die demokratische Verantwortung und rufen dazu auf, gemeinsam gegen das Unrechtsregime der AKP anzutreten, welches seit Jahren zehntausende Wissenschaftler*innen, Journalist*innen, Kunst- und Kulturschaffende einsperrt und verfolgt, und andererseits mehrere Krisenherde im Mittelmeer befeuert.

Die Unterzeichnenden nennen sich aufgrund ihrer Lebenserfahrung die "101 Weisen", sie gehören unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Kreisen an. Ihr Aufruf fand in der Türkei und unter den Oppositionellen aus der Türkei im Ausland ein unerwartet breites Echo.

Die ungekürzte deutsche Übersetzung dieses Appells, unterschrieben u.a. von kurdischen und türkischen Persönlichkeiten wie Ahmet TürkRakel DinkOrhan Pamuk und Zülfü Livaneli u.v.a.m., finden Sie hier.

Wir bitten Sie, Ihre Solidarität mit der demokratischen Opposition in der Türkei zu bekunden und diesen Appell ebenfalls zu unterstützen.

Ich unterstütze diesen Appel für "Frieden im Mittelmeer - Solidarität mit Demokraten in der Türkei"

Sie können hier unterschreiben.

Oder füllen Sie dieses Formular aus und mailen es an redaktion@das-kulturforum.de zurück.


Vor- und Zuname:
Tätigkeit:
eMail:
Datum:
 

Erstunterzeichner*innen in Europa sind u.a.:
Taner Akçam, Lale Akgün, Doğan Akhanlı, Fatih Akın, Süleyman Ateş, Mustafa Ayrancı, Celal Başlangıç, Kemal Bozay, Anke Brunn, Angelika Claussen, Hıdır Çelik, Safter Çınar, Burak Çopur, Molla Demirel, Süleyman Demirtaş, Amke Dittert, Can Dündar, Kenan Engin, Hüseyin Erdem, Aslı Erdoğan, Çiler Fırtına, Ahmet Kerim Gültekin, Kazım Gündoǧan, Nezahat Gündoǧan, Ülkü Gürkan-Schneider, Banu Güven, Ahmet Insel, Atilla Keskin, Kader Konuk, Klaus Kost, Dilek Mayatürk-Yücel, Ralf Nestmeyer, Osman Okkan, Mehmet Oturan, Alper Öktem, Nafiz Özbek, Cem Özdemir, Doğan Özgüden, İnci Özgüden-Tuğsavul, Toni Rütten, Alexander Skipis, John Steinmark, Nilüfer Tarıkahya, Kamil Taylan,  İlias Uyar, Regula Venske, Felix von Grünberg, Günter Wallraff, Kemal Yalçın.

 

Appell der "101 Weisen" in der Türkei


 

"Die Zukunft liegt in Euren Händen"

Mit dem folgenden Appell richten wir uns an alle Menschen in der Türkei, die es verdienen, in einer gerechten und freien Gesellschaft, in Ruhe und Frieden zu leben, und insbesondere an die jungen Menschen, die unser aller Hoffnung sind...

()

 

Aksaçlılar sesleniyor

Farklı kesimlerden, farklı geçmişlerden, farklı siyasetlerden gelen; uzun yılları arkasında bırakmış biz aksaçlılar, ülkemizin adil ve özgür bir toplumda, sulh sükûn içinde yaşamayı hak eden bütün insanlarına, özellikle de umudumuz olan gençlere sesleniyoruz..

()

 

A call from the grey-haired elders

We, the grey-haired elders, (...) make an appeal to all those in our country who deserve to live in peace and tranquility and in a just and peaceful society. We call out especially to young people who are our hope...

()

 

Banga porspiyan

Em kesên porspî ku em ji beşên cuda, ji serpêhatiyên cuda, ji siyasetên cuda ne û me salên dûr û dirêj li pey xwe hîştine...

()

 

L’appel des « Aksaçlılar » 

(...) nous adressons à tous ceux qui en Turquie désirent et méritent de vivre en harmonie et paix dans une société juste et libre, et tout en particulier aux jeunes qui sont pour nous une source d’espoir...

()

 

Ausstellung im Günter Grass-Haus, Lübeck


 

Fotografien von Orhan Pamuk aus "Balkon" und "Orange"
Ab 07.10.2020 bis 30.01.2021
*
Für den Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk spielen Bilder seit seiner Kindheit eine wichtige Rolle. Im Dezember 2012 plagten ihn Schreibblockaden und er griff zum Fotoapparat. Es entstanden über 8500 Aufnahmen von der pulsierenden Lebensader Istanbuls - dem Bosporus. Sie wurden 2018 unter dem Titel "Balkon" im Steidl Verlag veröffentlicht. Vom Balkon seines Ateliers aus fotografierte Orhan Pamuk das lebendige Panorama der Metropole: die vorbeifahrenden Schiffe, die von unzähligen Minaretten bekrönte Silhouette der Stadt, die spektakulären Wolkenformationen oder den Dunstschleier auf dem Bosporus im Morgengrauen. Dabei fängt er die vergängliche Schönheit des Augenblickes ein. Zwischen Melancholie, Schwermut und Hoffnung spiegeln die Bilder den Seelenzustand des Autors wider.

Die Schau ist ein Gemeinschaftsprojekt mit dem Steidl Verlag und dem KulturForum Türkei Deutschland e.V.

(Weitere Details ►►►►)

 

Bilz-Preis 2020 an KulturForum TürkeiDeutschland


 

Mit großer Freude hat das KulturForum TürkeiDeutschland die Entscheidung der Bilz-Stiftung aufgenommen, ihm den Bilz-Preis 2020 zu verleihen.

"Die Auszeichnung der Stiftung ist für uns eine große Ehre und eine Ermutigung", kommentierte Osman Okkan, der Sprecher des KulturForums, den Beschluss des Stiftungsvorstands, bei dem er sich im Namen des Forums herzlich bedankte. "In einer Reihe mit so verdienstvollen Preisträgerinnen und Preisträgern wie dem Kölner Appell gegen Rassismus e.V. und dem Friedensbildungswerk Köln zu
stehen, bedeutet eine wertvolle Bestätigung unserer langjährigen Arbeit. Es freut uns besonders, dass unsere international ausgerichtete Arbeit eine solche Beachtung und Würdigung durch die Kölner Stadtgesellschaft erfährt."

Das KulturForum TürkeiDeutschland entstand in den achtziger Jahren aus einer Initiative von Künstlerinnen und Künstlern, Kultur- und Medienschaffenden. Seit 1993 arbeitet es in Köln als gemeinnützig anerkannter Verein. Mit seinen bundes- und europaweit initiierten Projekten und Veranstaltungen unterstützt das KulturForum den interkulturellen Dialog im europäischen Kontext.

In den letzten Jahren hat die solidarische Unterstützung von bedrohten Journalistinnen und Journalisten und Kulturaktivisten an Gewicht und Bedeutung gewonnen, die in der Türkei verfolgt oder an der freien Ausübung ihrer Arbeit gehindert werden.

Über die Arbeit des KulturForums TürkeiDeutschland können Sie mehr erfahren unter https://www.freewordsturkey.com.

Foto: Verfolgte Schriftstellerin Aslı Erdoğan bei 25-Jahr-Feier des KulturForums im Großen Sendesaal des WDR © KulturForum

 


Gespräch: Die Türkei, die Juden und der Holocaust


 

Donnerstag, 3. September 2020 um 19 Uhr

NS-Dokumentationszentrum Köln

Gespräch: Die Türkei, die Juden und der Holocaust – Zur Bedeutung eines kritischen Geschichtsbewusstseins in der Migrationsgesellschaft

mit Corry Guttstadt (Autorin der Bücher »Die Türkei, die Juden und der Holocaust« und »Wege ohne Heimkehr – Die Armenier, der Erste Weltkrieg und die Folgen«) und Dogan Akhanli (Exilierter Schriftsteller aus der Türkei und Initiator zahlreicher Projekte mit Migrant*innen zur NS-Zeit und zur Geschichte ihres Herkunftslandes)

Das NS-Regime verfolgte auch die etwa 20.000 bis 25.000 in Europa lebenden türkischen Jüdinnen und Juden. Viele von ihnen wurden Opfer der Shoah. Dennoch fanden sie in der internationalen Holocaustforschung lange Zeit wenig Beachtung. Corry Guttstadt hat das Schicksal türkischer Jüdinnen und Juden in verschiedenen europäischen Staaten unter der NS-Herrschaft erforscht und berichtet von ihren Recherchen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der widersprüchlichen Politik der Türkei, die zwar einerseits verfolgten deutsch-jüdischen Wissenschaftler*innen und Künstler*innen Exil gewährte, andererseits jedoch wenig unternahm, um ihre im NS-Machtbereich befindlichen jüdischen Staatsbürger*innen zu retten.

Doğan Akhanlı steht mit seinen Büchern, Theater- und Bildungsprojekten (u. a. im NS-DOK) für ein kritisches Geschichtsbewusstsein. Dies scheint ihm angesichts des zunehmend offen propagierten Antisemitismus in der Türkei und in Deutschland sowie der Diskussion um das Holocaustgedenken in der Migrationsgesellschaft unverzichtbar.

Die Veranstaltung moderiert Osman Okkan (Kulturforum Türkei Deutschland e. V., Dokumentarfilmer und langjähriger WDR-Mitarbeiter).

Eine Veranstaltung von recherche international e.V., Stadt Köln, Amt der Oberbürgermeisterin, Europäische und Internationale Angelegenheiten, Kulturforum Türkei Deutschland e.V., TÜDAY – Menschenrechtsverein Türkei/Deutschland e.V., Initiative Völkermord erinnern, in Kooperation mit dem NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln

Aufgrund des aktuellen Infektionsgeschehens finden alle Veranstaltungen mit einer stark reduzierten Teilnehmerzahl statt. Für die Teilnahme an den Veranstaltungen im EL-DE-Haus ist eine verbindliche Anmeldung per E-Mail unter nsdok@stadt-koeln.de sowie eine Bestätigung durch das NS-DOK erforderlich. Für den Fall, dass Ihre Anmeldung aufgrund der beschränkten Teilnehmerzahl nicht berücksichtigt werden kann, bitten wir um Ihr Verständnis.

Sie können zudem kurz vor der Veranstaltung an der Kasse nach freien Plätzen fragen.

Für: Erwachsene | Von: NS-Dokumentationszentrum | Treffpunkt: EL-DE-Haus | Preis: € 4,50 | ermäßigt: € 2,00

 

 

 

InfoMail 4. August 2020                                                   Online-Version anzeigen

 

◾ Hagia Sophia: Schwert als Symbol der Eroberung
◾ Bundesregierung: Weitere Rüstungslieferungen
◾ Mikis Theodorakis 95 Jahre!
◾ Ende der kritischen Internet-Plattformen?
◾ Tritt die Türkei aus der Istanbul-Konvention aus?
◾ Neues Gesetz soll Anwaltskammern schwächen
◾ Deniz Yücel wegen Terrorpropaganda verurteilt
◾ Absurdes Verfahren - Urteile gegen Menschenrechtsaktivisten
◾ Über 1000 Tage in Haft: Osman Kavala
◾ Künstler mischen sich ein - "Wir haben keine Angst"
◾ Die "ergrauten Weisen" melden sich zu Wort
◾ Hermann-Kesten-Preis an Günter Wallraff


Foto: BirGün

 

Ein weiterer Justizskandal in der Türkei


 

Kulturvermittler Osman Kavala 1000 Tage in Haft

Am Montag, den 27. Juli 2020, befindet sich der Kulturmäzen Osman Kavala seit 1000 Tagen in der Türkei in Haft. 2017 wurde er zunächst ohne Angabe von Gründen inhaftiert, später wurde er wegen einer Beteiligung an den Gezi-Protesten, an denen im Sommer 2013 landesweit Millionen Menschen teilnahmen, und die von der Erdoğan-Regierung brutal niedergeschlagen wurden, angeklagt. Man warf ihm vor, Mitorganisator der Proteste gewesen zu sein. Beweise für diese absurde Behauptung konnte die Staatsanwaltschaft nicht vorlegen: Kavala wurde im Januar 2020 freigesprochen.

Bereits zwei Monate zuvor hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Kavalas andauernde Inhaftierung für widerrechtlich erklärt und seine umgehende Freilassung gefordert. Das Urteil des EGMR ist für die Türkei bindend, wurde von ihr aber ignoriert. Es ist nicht der einzige derartige Fall. Im Rahmen der seit 2016 anhaltenden Verfolgung von Oppositionellen missachtet die türkische Regierung konsequent nicht nur nationales, sondern auch internationales Recht.

Auf den Freispruch für Osman Kavala folgte umgehend die nächste konstruierte Anklage: Nun soll er am Putschversuch vom Juli 2016 beteiligt gewesen sein. Beweise für diese Behauptung kann die Staatsanwaltschaft abermals nicht vorlegen. Der Grund ist simpel: Es gibt keine. Der Vorwurf ist an den Haaren herbeigezogen.

Osman Kavala ist mit seiner Stiftung Anadolu Kültür der wichtigste Mäzen für Kunst und Kultur in der Türkei und über die Landesgrenzen hinaus. Er steht wie kaum ein anderer türkischer Akteur für den internationalen und interkulturellen Austausch und für den Dialog, er steht ein für Demokratie, Meinungsfreiheit, Freiheit der Kunst und Pluralismus - also für all das, was die regierende AKP und Staatschef Recep Tayyip Erdoğan abschaffen wollen. Osman Kavala steht außerdem stellvertretend für die vielen Tausend weiteren Oppositionellen - darunter JournalistInnen, SchriftstellerInnen, WissenschaftlerInnen - die in der Türkei aus rein politischen Gründen in Haft sind, viele von ihnen seit Jahren und ohne Chance auf ein faires, an rechtsstaatlichen Prinzipien orientiertes Gerichtsverfahren.

Das KulturForum TürkeiDeutschland hat bereits bei früheren Anlässen gemeinsam mit Amnesty International Deutschland, der Akademie der Künste, dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union dju in ver.di, dem PEN-Zentrum Deutschland und Reporter ohne Grenzen Deutschland an die Bundesregierung appelliert. Das KulturForum wendet sich erneut an Bundeskanzlerin Merkel und auch an die deutschen Medien, sich weiterhin für Osman Kavala und die anderen einzusetzen und auf ihre Schicksale aufmerksam zu machen.

Heute brauchen die politisch Verfolgten in der Türkei diese moralische und politische Unterstützung von uns mehr denn je.

KulturForum TürkeiDeutschland, 26. Juli 2020

(Foto: Anadolu Kültür)

 

Solidarität mit Deniz Yücel - gegen das Skandal-Urteil


 

Das KulturForum TürkeiDeutschland erklärt sich uneingeschränkt solidarisch mit Deniz Yücel, der durch ein Gericht in Istanbul zu fast drei Jahren Haft verurteilt wurde. Das skandalöse Urteil zeige erneut, „wie willfährig der türkische Justizapparat unter einem autokratischen Präsidenten geworden ist“, sagte Osman Okkan, Sprecher des KulturForums, in Interviews mit WDR und NDR.

Deniz Yücel ist mit der absurden Begründung schuldig gesprochen worden, Terrorpropaganda für die kurdische Arbeiterpartei PKK betrieben zu haben, obwohl das türkische Verfassungsgericht seine Inhaftierung für rechtswidrig erklärt hatte. Vom Vorwurf der Volksverhetzung und der Propaganda für die Gülen-Bewegung wurde er freigesprochen.

Gegen Yücel soll nun wegen Beleidigung des Staatspräsidenten und der Symbole des türkischen Staates erneut prozessiert werden. Dies und laufende Prozesse gegen die Ulmer Journalistin Mesale Tolu und andere Berufskollegen, sowie die Tatsache, dass gewählte Volksvertreter, Menschenrechtsaktivisten, Kulturschaffende und Journalisten wie Ahmet AltanSelahattin Demirtaş und Osman Kavala immer noch im Gefängnis sitzen, machen deutlich, wie weit sich die Türkei von demokratischen Verhältnissen entfernt hat.

Das KulturForum appelliert an die Bundesregierung und an alle EU-Staaten, sich weiterhin mit einer deutlichen Sprache für die Freilassung aller politischen Gefangenen in der Türkei einzusetzen. Die Türkei besteht nicht nur aus Erdogan und seinem Unterdrückungsapparat - die demokratischen Kräfte und zivilgesellschaftliche Organisationen im Lande benötigen mehr denn je unsere Unterstützung.

 

Erdoğans Spiel mit dem Feuer der religiösen Polarisierung


 

Hagia Sophia nun eine Moschee:

„Die Umwandlung der Hagia Sophia zu einer Moschee heißt
der restlichen Welt mitzuteilen, dass die Türkei kein
laizistisches Land mehr ist. Millionen von Menschen in der
Türkei sind dagegen, doch ihre Stimmen werden nicht gehört.“
Orhan Pamuk, Literatur-Nobelpreisträger

 

Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan schließt sich schon seit vielen Jahren der Forderung konservativ-religiöser und fundamentalistischer Gruppierungen an, die Hagia Sophia wieder zur Moschee zu machen. Das Oberste Verwaltungsgericht der Türkei hat am Freitag entschieden, dass der Hagia Sophia der Status als Museum aberkannt werden soll. Das Gericht berief sich dabei in einer zweifelhaften Begründung auf die Besitzansprüche des Osmanischen Reiches. Dabei ist zu beachten, dass die Justiz in der Türkei weitgehend gleichgeschaltet ist und dem Einfluss des Präsidenten und der regierenden AKP unterliegt.

Erdoğan verglich die Angelegenheit in einer ersten Rede mit der al-Aqsa-Moschee in Jerusalem und verkündete, dass bereits am 24. Juli in der dann wieder als Moschee fungierenden Hagia Sophia das erste öffentliche Gebet stattfinden soll.

Die Hagia Sophia, erbaut im 6. Jahrhundert n. Chr., galt lange als wichtigste Kirche des orthodoxen Christentums. Nach der Eroberung des damaligen Konstantinopels im Jahr 1453 wurde sie zur bedeutendsten Moschee des Osmanischen Reiches. Nach dessen Ende wurde sie 1934 unter Mustafa Kemal Atatürk zum Museum und ist seither ein symbolisch aufgeladener Ort, der Christentum und Islam in sich vereint; sie steht in der Weltkulturerbe-Liste der UNESCO.

Gegen die jetzige Entscheidung regt sich weltweiter Protest. In einem Statement fordert die UNESCO die türkische Regierung auf, umgehend in einen Dialog einzutreten.

„Die Hagia Sophia ist ein architektonisches Meisterwerk und ein einzigartiges Zeugnis der Interaktion zwischen Europa und Asien im Verlauf der Jahrhunderte. Ihr Status als Museum reflektiert ihr universelles Erbe und macht sie zu einem kraftvollen Symbol für den Dialog“, sagt UNESCO Generaldirektorin Audrey Azoulay.

Die UNESCO mahnt, dass nicht abgestimmte Veränderungen am Gebäude zum Verlust des Kulturerbe-Status führen könnten. Diese waren zum Teil bereits von den Osmanen übermalt und später in mühsamer restaurativer Arbeit wieder freigelegt worden.

Das KulturForum TürkeiDeutschland schließt sich den Bedenken und der Kritik der UNESCO an und verurteilt die Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee. Angesichts der 3200 Moscheen allein in Istanbul besteht hierfür keine sachliche Notwendigkeit. Auch viele Menschen in der Türkei sind laut Umfragen der Meinung, dass es sich um ein wahltaktisches Manöver Erdoğans angesichts des rapiden wirtschaftlichen Verfalls handelt. Es ist zugleich die Vereinnahmung eines Symbols, die dazu geeignet ist, den Konflikt zwischen der Türkei und Griechenland sowie das Verhältnis zwischen der Türkei und befreundeten Staaten, aber auch zwischen Christen, Muslimen und Andersdenkenden, zu beschädigen.

Das KulturForum ruft alle Menschen, vor allem Christen und Muslimen, gerade jetzt zur Besonnenheit und zum friedlichen Umgang miteinander und mit allen Andersdenkenden auf: lassen wir uns nicht durch Provokationen machtbesessener Autokraten auseinander dividieren. Es gilt mehr denn je, den friedlichen Dialog und die gegenseitige Verständigung voranzutreiben.

13. Juli 2020
KulturForum TürkeiDeutschland e.V.

 

 

 

InfoMail 2. Juli 2020                               Online-Version anzeigen

 

◾ Türkei: Reisewarnung bleibt
◾ HDP und die Anwälte marschieren
◾ Aslı Erdoğan erneut vor Gericht?
◾ Türkei-Tribunal tagt im September in Genf
◾ Twitter greift auch bei Erdoğans "Troll-Armee" durch
◾ Ziemlich beste Freunde: Trump und Erdoğan
◾ #WhatDidKavalaDo?

(Foto: Tükenmez Haber)

 

Erneut Anklage gegen Aslı Erdoğan


 

Das KulturForum unterstützt die Schriftstellerin in ihrem Kampf gegen die Willkür-Justiz des AKP-Regimes

Preesemitteilung von PEN Deutschland

Mehrere Monate nach Ablauf der gesetzlichen Frist versucht ein neu bestellter Staatsanwalt ein älteres Verfahren gegen Aslı Erdoğan wieder aufzunehmen, in dem ihr "Mitgliedschaft in einem terroristischen Verein" und "Zerstörung der nationalen Einheit" vorgeworfen wird. Die schwerkranke Schritstellerin ist seit dem gescheiterten Putsch vom 15. Juli 2016 immer wieder die Zielscheibe des türkischen Justizapparates. "Die totale Willkür der Diktaturen, der unwiderstehliche Wunsch, weiterhin mit Menschenleben zu spielen...", schockiert sie dabei besonders, schrieb sie zuletzt. Das KulturForum unterstützt Aslı Erdoğan und alle politisch Verfolgten in der Türkei in ihrem Kampf gegen die Willkür-Justiz des AKP-Regimes.

In einer Presse-Erklärung von PEN-Deutschland zum aktuellen Fall heißt es:

"Der ursprüngliche Freispruch Mitte Februar dieses Jahres wird vier Monate nach dem Gerichtsbeschluss erneut vor ein Gericht gebracht. Obwohl die offizielle Einspruchsfrist gegen einen Gerichtsbeschluss eine Woche beträgt, fordert der Staatsanwalt nach vier Monaten den Fall abermals aufzunehmen. Bei einem Schuldspruch drohen Erdoğan bis zu neun Jahre im Gefängnis.

"Das türkische Justizsystem ist zum verlängerten Arm eines Despoten degradiert worden, der sich mit allen Mitteln an die Macht klammert und politische Gegner gnadenlos bekämpft. Die türkische Justiz hat längst jede Glaubwürdigkeit verloren. Der Prozess gegen Aslı Erdoğan darf nicht wieder aufgenommen werden!", so Ralf Nestmeyer, Vizepräsident und Writers-in-Prison-Beauftragter des PEN.

Foto © Carole Parodi

 

 

 

InfoMail 3. Juni 2020                                       ►Online-Version anzeigen

 

◾ Vorgezogene Neuwahlen?
◾ "Eines nachts werden wir kommen!" - Öffentliche Todesdrohungen gegen Rakel Dink, Vorsitzende der Hrant Dink-Stiftung
◾ Lebenslange Haft für RA Mahmut Alınak gefordert - Anklagepunkt: Petition an die UN
◾ Ein doppelter Nachruf - Prof. Dr. Ali Ülkü Azrak und Hannelore Fischer-Azrak
◾ Artists United for Osman Kavala - "What Did Kavala Do?"
◾ Türkei lockert Corona-Restriktionen - Einkaufszentren an erster Stelle
◾ Ahmet Altan aus dem Gefängnis Silivri: "Gebt nicht der Verzweiflung nach"

(Foto: kamu3)

 

"Gefällige" Corona-Studien: nur in der TR?


 

 

InfoMail 7. Mai 2020                                               ► Online-Version anzeigen

Während die mächtige DFL und sonstige Industrie in Deutschland gemeinsam mit auf Wahlen fokussierten Landespolitikern weiterhin die Interessen der Kinder, Älteren und anderer sozial Benachteiligten in den Hintergrund drängen, ergreift auch die AKP-Regierung die Flucht nach vorne. Auch in der Türkei werden strenge Maßnahmen schon wieder gelockert: Die überdimensionierten Einkaufszentren werden wieder eröffnet. Doch auch in der Türkei warnen unabhängige Experten vor einer zu schnellen Lockerung – angesichts von 1.150 mehr Toten allein in Istanbul in einem Monat im Vergleich zu 2019, angeblich an „diffusen“ Erkrankungen. 

Nach den aktuellen Zahlen der Johns-Hopkins-Universität (Stand 7. Mai 2020, 09:32 Uhr), gibt es in der Türkei bisher insgesamt 131.744 Infizierte, 3.584 Menschen sind bisher der Pandemie zum Opfer gefallen.

Nicht zu vergessen, dass Erdoğan seine mit zynischen Bezeichnungen wie „Friedensquelle“ versehenen militärischen Eingriffe in Nord-Syrien und in Libyen fortsetzt, und wer sein Vorgehen kritisiert, muss weiterhin mit Ermittlungen wegen „Terrorpropaganda“ rechnen – wie die Gegner seines Krisenmanagements.

Auch KulturForum trotz(t) Corona.
Ihnen und uns wünschen wir weiterhin Rücksicht auf unsere Mitmenschen, bleiben wir vorsichtig und doch aktiv und kreativ!

Wir versuchen es auch, versprochen.

(Foto: T24)

 

Aus Protest gegen Verbote: Musiker sterben nach Hungerstreik


 

Am 3. April verstarb die Musikerin Helin Bölek, ein Mitglied der populären Band Grup Yorum, nach 288 Tagen im Hungerstreik. Und heute, am 7. Mai, auch ihr Band-Kollege Ibrahim Gökçek. Sie wollten mit ihrer Aktion die Freilassung der verhafteten Bandmitglieder und die Aufhebung des Konzertverbotes für Grup Yorum erreichen.

Die Geschichte von Grup Yorum und ihrer Mitglieder, die für ihren Protest gegen gegen die Unterdrückungspolitik Erdoğans in den Hungerstreik gingen, erzäht Can Dündar in einem beeindruckenden Clip.

Das ARD-Kulturmagazin „ttt“ sendet am 17. Mai einen Beitrag von Halil Gülbeyaz über Grup Yorum und ihren Hungerstreik.

 

 

Neuer Pandemie-Hotspot?


 

InfoMail 21. April 2020

Es war eine tickende Zeitbombe: am Karfreitag, kurz nach 22 Uhr, kündigte der türkische Innenminister Soylu „im Einvernehmen mit unserem verehrten Staatspräsidenten“, wie er sich ausdrückte, eine 48-stündige Ausgangssperre für 31 Städte an, darunter die Millionenmetropolen IstanbulAnkara und Izmir ab Mitternacht, also keine zwei Stunden später. Es kam zu den zu erwartenden Panikkäufen (Foto: Ahval), Massenaufläufen, Schlägereien - und nach oben schnellenden Infektionszahlen.

Nach den aktuellen Zahlen der Johns-Hopkins-Universität (Stand 20. April, 19:38 Uhr), steht die Türkei mit 90.980 Menschen bei einer niedrigen Testfrequenz wohl erst am Anfang der Pandemie. Seit dem 1. April hat sich die Anzahl der Corona-Fälle nahezu versechsfacht.

Dennoch will die AKP-Regierung zum Fastenmonat Ramadan mit einer symbolträchtigen Geste und unter Umgehung des Stopps internationaler Flüge rund 25 000 Gläubige aus 59 Ländern heimholen. Wie Vizepräsident Fuat Oktay am Freitag verlauten ließ, wird „eine großangelegte Operation“ gestartet, um „unsere Bürger, so Gott will, im gesegneten Ramadan mit ihren Lieben in der Heimat“ zusammen zu bringen.

Zugleich erließ das von der AKP Erdoğans und der nationalistischen MHP beherrschte Parlament ein Gesetz, nachdem seit Mittwoch letzter Woche aus den überfüllten Gefängnissen bis zu 100.000 Gefangene entlassen werden, darunter Mafia-Bosse, Schwerverbrecher, Vergewaltiger, Drogendealer etc.

Trotz massiver Proteste aus dem In- und Ausland wurden die vielen inhaftierten JournalistenMenschenrechtler und Oppositionellen von der Amnestie ausgeschlossen. Viele Beobachter, darunter die Anwalts- und Ärztekammer des Landes, befürchten das Schlimmste, seitdem die ersten Corona-Infektionen aus den Haftanstalten und Flüchtlingslagern gemeldet werden.

In diesem Zusammenhang unterstützt das KulturForum TürkeiDeutschland einen gemeinsamen Aufruf zahlreicher Menschenrechtsorganisationen zur Freilassung der politischen Gefangenen in der Türkei. Den Gesamttext in englischer Sprache finden sie hier: Niederländisches Helsinki Komimitee. Eine deutsche Übersetzung finden Sie hier.

Das KulturForum fordert mit Menschenrechtsorganisationen in der Türkei und im Ausland die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen und appelliert an Bundeskanzlerin Angela Merkel, sich für die Erweiterung der Amnestie einzusetzen.

 

Freiheit für alle Menschenrechtsverteidiger


 

Das Solidaritätsnetzwerk "Human Rights Defender" hat anlässlich des 900. Tages der Inhaftierung von Osman Kavala und der lebensbedrohlichen Gefahr, die für die Gefangenen durch die Pandemie besteht, einen Aufruf zur Freilassung aller politischen Gefangenen veröffentlicht.

Am Tag des 900. Tages der Inhaftierung
von Osman Kavala gilt noch einmal:
Freiheit für alle  Menschenrechtsverteidiger

18. April 2020

Während der weltweite Ausbruch des Corona-Virus schwer zu kontrollieren ist, erklärte der Justizminister am 14. April 2020, dass in 5 Gefängnissen in der Türkei bei insgesamt 17 Inhaftierten eine Infektion mit dem Corona-Virus bestätigt wurde und drei Inhaftierte an dem Virus verstorben sind. Mit dieser Erklärung wurde auch seitens offizieller Stellen bestätigt, dass auch in den Gefängnissen Fälle von Corona-Infektionen existieren.

Den Wortlaut des Aufrufs finden Sie in englischer Sprache unter Free Osman Kavala. Eine deutsche Übersetzung finden Sie hier.

 

 

#SaveThemAll


 

Das KulturForum unterstützt die Social-Media-Aktion von Tüday:

#SaveThemAll

Auf die prekäre Situation in den türkischen Gefängnissen macht der Menschenrechtsverein Tüday mit einer weiteren Social-Media-Aktion aufmerksam. In dem Aufruf heißt es u.a.:

„Wir sind besorgt, dass inhaftierte Journalist*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen, Politiker*innen, Akademiker*innen und Rechtsverteidiger*innen nicht ausreichend durch die neue Gesetzgebung geschützt werden. Dies betrifft beispielsweise die ehemalige Abgeordnete der HDP und Oberbürgermeisterin der Stadt Diyarbakır Gültan Kışanak, den ehemaligen Co-Sprecher der HDP und Abgeordneten Selahattin Demirtaş, die ehemalige Abgeordnete und Frauenrechtlerin Sebahat Tuncel, den Vertreter der Zivilgesellschaft Osman Kavala, den Journalisten Ahmet Altan und die Kölner Sängerin Hozan Canê.

Sei dabei und zeige Dein Gesicht! Wenn Du ein Foto von dir und der Message (#SaveThemAll) bei Twitter, Facebook oder Instagram hochlädst, werden wir Deinen Post über unsere Social-Media-Accounts teilen. Solltest Du keinen eigenen Account haben, dich jedoch an der Aktion beteiligen wollen, kannst Du uns das Foto natürlich auch per E-Mail zuschicken: info@tuday.de
Du findest uns auch unter TwitterFacebook und Instagram.

 

 

Interview aus dem Gefängnis


 

 

"Gegen mich wird das 'Feindstrafrecht' praktiziert"

"Eine Verhaftung während meiner andauernden Haft bedeutet, dass ich bis zu einem nicht absehbaren Zeitpunkt im Gefängnis sein werde"

Şirin Payzıns Interview mit Osman Kavala

=> (Facebook-LINK)

 

Interview from the prison:

"I am being subjected to 'Criminal law for the enemy'"

"The latest arrest during my continued detention means I will be in prison indefinitely"

Şirin Payzın's interview with Osman Kavala

=> (Facebook-LINK)

 

 

Bitte unterstützen Sie die Petition


 

Gegenwärtig sind über 50.000 JournalistInnen, SchriftstellerInnen, PolitikerInnen, MusikerInnen, AkademikerInnern, MenschenrechtsverteidigerInnen, LehrerInnen, ÄrztInnen, AnwältInnen, StudentInnen, Geschäftsleute und Hausfrauen wegen Terrorismus inhaftiert.

Wir fordern die Freilassung von Personen, die wegen solcher Anschuldigungen in Untersuchungshaft sind, um ihr Recht auf Leben zu schützen - entweder durch das vom Parlament zu überprüfende Justizreformpaket oder durch Entscheidungen, die direkt von den Gerichten zu erlassen sind.

=> (Zur Petition)

 

Appell an die Bundeskanzlerin Merkel


 

Geflüchtete dürfen nicht zum Spielball der politischen Auseinandersetzungen werden!
*
Freiheit für alle politischen Gefangenen in der Türkei
*
Während Präsident Erdogan mit seiner skandalösen Instrumentalisierung von Tausenden von Flüchtlingen an der türkisch-griechischen Grenze die EU weiterhin unter Druck setzt und erklärt, „diese Menschen sind eine Waffe“, versucht die türkische Justiz die innenpolitische Opposition gänzlich zum Schweigen zu bringen:

Allein im Laufe der letzten Woche wurden erneut sechs Journalisten festgenommen, denen Geheimnisverrat vorgeworfen wird; gegen den ehemaligen Bürgermeister von Diyarbakir, A. Selcuk Mizrakli wurde eine Freiheitsstrafe von neun Jahren verhängt und gegen den Kulturvermittler Osman Kavala, der seit Oktober 2018 im Hochsicherheitstrakt in Silivri festgehalten wird, bereits das dritte Haftbefehl erlassen. Der neue Vorwurf: Spionagetätigkeit für Ausland.

Nachdem Osman Kavala und einige seiner Mitangeklagten am 18.02.2020 durch das 30. Große Strafkammer in Istanbul freigesprochen wurden, hatte die Staatsanwaltschaft bereits wenige Stunden später gegen Kavala einen neuen Haftbefehl erlassen, in dem ihm die Unterstützung des Putschversuchs vom Juli 2016 vorgeworfen wurde. Unmittelbar hierauf erklärte am 19.02.2020 Staatspräsident Erdoğan auf einer Fraktionssitzung der AKP, dass es bei den „Gezi-Aufständen im Hintergrund Typen wie Soros“ gegeben habe; bekanntlich sei „dessen Türkei-Vertreter“ ja inhaftiert gewesen und man habe gerade versucht, diesen durch ein Manöver freisprechen zu lassen; für den Staat und die Nation werde jedoch die Inhaftierung Bestand haben.

Wie sehr die türkische Justiz ihre Unabhängigkeit verloren hat und durch Anweisungen geführt und gelenkt wird, ist nicht erst jetzt offensichtlich geworden. Schon zuvor wurden Ahmet Altan und Selahattin Demirtaş durch die Gerichte zwar freigesprochen, aber ihre Freilassung durch neue, ebenso konstruierte Haftbefehle verhindert. Erdoğan hatte in der Vergangenheit bereits im Hinblick auf für ihn unliebsame Entscheidung des Verfassungsgerichts der Türkei oder auch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) mehrfach erklärt, solche Urteile seien für ihn null und nichtig.

Im Dezember verurteilte der EGMR auch die Untersuchungshaft für Kavala scharf und forderte seine sofortige Freilassung. Obwohl dies für die Türkei als Mitglied des Europarats bindend ist, lehnen die Behörden Kavalas Freilassung bis heute ab; dazu sollen auch die neuen Haftbefehle dienen, die durch eine jeweils neu angeordnete zweijährige Untersuchungshaft den Spruch des EGMR aushebeln sollen.

Ahmet Altan, Selahattin Demirtaş und Osman Kavala stehen für alle politischen Gefangenen in der Türkei, die lediglich auf Grund ihres Eintretens als Schriftsteller und Journalisten, als Rechtsanwälte, Politiker und Kulturvermittler für freiheitliche und demokratische Werte von dem AKP-Regime als Gefahr für ihre Herrschaft empfunden werden. Noch heute sitzen nach Angaben des Vereins Zeitgenössischer Journalisten der Türkei über 130 Medienschaffende in Haft. Seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 wurden etwa 1.500 Organisationen und Stiftungen geschlossen. Friedliche Proteste werden unterdrückt, wer sich kritisch über die Regierung äußert, muss damit rechnen, festgenommen zu werden. Seit Juli 2016 wurde knapp 130.000 Beschäftigten des öffentlichen Dienstes wegen angeblicher „Verbindungen zu terroristischen Vereinigungen“ suspendiert bzw. gekündigt.

Amnesty International Deutschland, die Akademie der Künste, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union dju in ver.di, das KulturForum TürkeiDeutschland, das PEN-Zentrum Deutschland und Reporter ohne Grenzen Deutschland hatten bereits mehrfach die Freilassung von Osman Kavala und anderen politisch Inhaftierten gefordert und auch an die Bundesregierung appelliert, sich bei bilateralen Verhandlungen dafür einzusetzen.

Wir fordern Bundeskanzlerin Merkel erneut auf, sich bei ihren bevorstehenden Gesprächen beim Präsidenten Erdoğan mit Nachdruck für die sofortige und bedingungslose Freilassung von Ahmet Altan, Selahattin Demirtaş und Osman Kavala einzusetzen.

Die deutsche Bundesregierung muss sich, ebenso wie die Europäische Union, auf allen Ebenen für eine humane Lösung des Flüchtlingselends und für die Freilassung aller politischen Gefangenen einsetzen und auf die Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten in der Türkei drängen.

Köln, den 11. März 2020

KulturForum TürkeiDeutschland

Der Vorstand

 

Beobachtung des Prozesses gegen Oberbürgermeister Mizrakli in Diyarbakir


 

Von Bernhard von Grünberg, MdL a.D.

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Am 09.03.20 wollte ich zur Fortsetzung des Prozesses gegen die frühere Oberbürgermeisterin von Diyarbakir, Frau Gülcan Kisanak sowie der Parlamentarierin und Frauenrechtlerin Frau Sebahat Tuncel nach Malatya fliegen.

Kurz vor der Abreise bekam ich die Mitteilung, dass am selben Tag der Prozess gegen den Nachfolger im Amt, den ehemaligen Oberbürgermeister Herrn Selcuk Mizrakli in Diyarbakir stattfinden sollte. Da die Strafverteidiger dieselben sind, beschloss Frau Kisanak, nicht an dem Prozess ohne ihre Anwälte teilzunehmen. Im Ergebnis wurde der Prozess in Malatya auf den 13.04.20 vertagt.

Mit den anderen beiden Prozessbeobachtern, Frau Dr. Gisela Penteker, einer Ärztin aus Schleswig-Holstein, die seit vielen Jahren Menschenrechtsarbeit in Kurdistan macht und Herrn Lukas Oßwald, einem Stadt- und Kreisrat der Partei Die Linke aus Baden-Württemberg, bin ich dann unmittelbar nach der Ankunft in Malatya mit dem Bus in das 250 km entfernte Diyarbakir weitergefahren.

Wenige Stunden nach der Ankunft begann der Prozess. Zunächst wollte uns die Polizei den Zutritt verwehren, mit der Begründung, dass wir keine türkischen Staatsangehörigen seien. Durch einen Anruf bei der Staatsanwaltschaft konnten wir schließlich doch an dem Prozess teilnehmen, da wir uns als Abgeordnete ausgaben. Der angeklagte, Herr Selcuk Mizrakli, der in Kayseri in Haft sitzt, wollte aus Protest nicht an diesem letzten Verhandlungstag teilnehmen. Anwesend waren aber seine Frau und sein Sohn, einige Abgeordnete der HDP, der Parteiführung und andere Zuschauer, insgesamt etwa 100 Personen. Vor einiger Zeit gab es bereits „Verhandlungen“ in der Sache. Der Oberbürgermeister Mizrakli wurde im März 2019 gewählt, im August vom türk. Innenminister abgesetzt (und durch einen Zwangsverwalter ersetzt) und im Oktober verhaftet. Seitdem sitzt er im Gefängnis. (Bereits 2015 war er für einige Monate im Gefängnis). Der Vorwurf im Prozess: Er sei Mitglied in einer Kommission für Gesundheit der legalen kurdischen Organisation DTK (Demokratisches Gesellschaftskongress), die bisher noch nicht verboten ist. Weiterhin habe er, bevor er das Amt des Oberbürgermeisters antrat, als Arzt in einer Klinik einen PKK-Kämpfer am Blinddarm operiert. Den Aussagen dieser Klinik zufolge hatte Herr Mizrakli diese Operation nicht durchgeführt, weil er zu diesem Zeitpunkt keinen Dienst hatte.

Das Gericht stützte sich auf die Aussagen einer früheren Politikkollegin, Frau Ayverdi, die in Haft „bedrängt“ wurde, sodass sie Aussagen zu 108 Personen gemacht hat, gegen die nun ermittelt wird. In einem der früheren Prozesstage wurde die Zeugin über Skype zugeschaltet. Die Anwälte konnten damals jedoch keinerlei Frage stellen, auch nicht, warum und wie es zu der Aussage gekommen sei. Zudem existieren keine schriftlichen Dokumente über ihre Aussagen.

Bei dem von uns erlebten letzten Prozesstag gab es erneut keine Verhandlung über bestimmte Straftatbestände, die von dem Angeklagten angeblich begangen worden seien. Die Richter und die Staatsanwaltschaft, die wieder gemeinsam auf der Richterbank saßen, haben nur (gelangweilt) zugehört, ohne selbst einen Kommentar abzugeben oder eine Bemerkung zu machen. Der Strafverteidiger Cihan Aydin, Präsident der Anwaltskammer in Diyarbakir erklärte, dass obwohl bereits klar sei, dass der Angeklagte verurteilt werde, so möge er um des Rechts willen darlegen, wie unsäglich diese Vorwürfe seien. Herr Mizrakli sei zwar Mitglied der Gesundheitskommission der DTK gewesen, jedoch habe die türkische Regierung zwischen 2005 und 2014 intensiv mit der DTK zusammengearbeitet um gemeinsam den damals möglichen Friedensprozess zu verhandeln. Die türkische Regierung habe die DTK sogar gebeten, an einer neuen Verfassung mitzuarbeiten. Auch der Vorwurf, Herr Mizrakli habe einen PKK-Kämpfer am Blinddarm operiert, sei falsch. Das Krankenhaus hatte bestätigt, dass er an diesem Tag überhaupt keinen Dienst hatte. Unabhängig davon, dass es die Pflicht eines jeden Arztes sei, Menschen in Not zu helfen. Darüber hinaus seien rechtswidrige Telefonüberwachungen in der Zeit zwischen 2009 und 2017 durchgeführt worden zu einer Zeit, als Herr Mizrakli noch populärer Arzt in der Stadt gewesen sei. Die Richter, die angeblich der Gülen-Bewegung nahe gestanden hätten, seien beispielsweise entlassen worden, weil sie illegale Telefonüberwachungen veranlasst hätten. Auch habe es kaum Möglichkeiten der Prozessvorbereitung gegeben, weil die Gefangenen in dem 600 km Kayseri untergebracht seien und den Anwälten kaum ordnungsgemäße Unterlagen vorgelegt worden seien. Der Anwalt appellierte noch einmal an die Richter und den Staatsanwalt und erklärte, dass sowohl sie als auch Anwälte keine Zukunft in einem System der Rechtswidrigkeiten hätten. Pathetisch zitierte er aus dem Roman „Der Prozess“ von Franz Kafka: man kann aus einem Seil eine Kinderschaukel machen aber auch ein Henkerseil. Sie müssten sich entscheiden. Auch dieser Appell rührte weder Richter noch Staatsanwalt.

Zur Urteilsverkündung durften nur noch die Anwälte anwesend sein. Das Urteil: neun Jahre, vier Monate und 15 Tage Haft.

Wir wurden aus dem Saal gebeten. Vor dem Gerichtssaal sprachen wir mit Frau Mizrakli, ihrem Sohn und seiner Verlobten. Der Sohn, der in Deutschland studiert hat, erklärte, dass seine Heimat eigentlich Hamburg sei, da es dort für ihn eine Perspektive gebe.

Die Abgeordneten und die Führung der HDP wollten vor dem Gericht eine Pressekonferenz für die zahlreichen anwesenden Journalisten durchführen. Ihre Vorbesprechung wurde umrundet von Polizisten mit hochgestellten Schutzschildern und Kameras, die auf Wasserwerfern montiert waren, durchgeführt. Die Polizei erlaubte ihnen jedoch nur eine Pressekonferenz mit den Abgeordneten und ohne die Parteivorsitzenden zu machen. Dies wurde nicht akzeptiert, sodass die Pressekonferenz dann später in den Büros der HDP stattfand.

Dieses Urteil, das gegenüber Herrn Mizrakli ausgesprochen wurde, ist kein Einzelfall. In dieser Region sind fast alle Bürger- und Oberbürgermeister der HDP abgesetzt und mit Prozessen mit absurden Vorwürfen überzogen worden. Der Hintergrund ist offensichtlich der, dass die türkische Regierung Zwangsverwalter einsetzen will, um in dieser Region ohne die Beteiligung der Stadtparlamente regieren zu können. Dies soll offensichtlich dazu dienen, dass der direkte politische Einfluss der HDP verhindert wird. Keiner soll mehr den Mut haben, sich für die HDP politisch zu engagieren.

Nach dem Prozess besuchten wir den Menschenrechtsverein IHD in Diyarbakir. Der Verein hat die „Istanbuler Protokolle“ im Jahr 1998 miterarbeitet, die von der türkischen Regierung und 1999 von der UNO als offizielles internationales Dokument anerkannt wurden. Hierbei geht es um das Recht der Gefangenen auf eine medizinische Behandlung ohne Fesseln und die Durchführung von Interviews, z.B. über Folter, ohne Zeugen des Sicherheitsapparates. Der Arzt hat Anspruch auf die Folterprotokolle, damit er diese Folter ggf. bestätigen kann. In der jetzigen Praxis gibt es praktisch keine Möglichkeit der Anwendung der Prinzipien der „Istanbuler Protokolle“. Eine Ärztin, die beim IDH engagiert ist, wurde entlassen, weil sie bei ihrer Arbeit in einem Krankenhaus auf das Verfahren nach den Prinzipien der „Istanbuler Protokolle“ bestand. Gleichwohl führen der Menschenrechstverein und die Ärztekammer Fortbildungen für Ärzte über die Grundsätze der „Istanbuler Protokolle“ durch. Anwendbar sind sie aber nur noch in Privatkliniken. In Cizre, einer zerstörten Stadt in Kurdistan gibt es jedoch nur eine öffentliche Klinik, in der auch gefoltert wird.

Zur weiteren Beurteilung der Lage:

Nach Diyarbakir sind große Investitionssummen des türkischen Staates geflossen, nicht nur um die in großen Teilen zerstörte Altstadt zu nivellieren, die noch kurz vor der Bombardierung zwischen 2015-2016 von der UNESCO am 4 Juli 2015 in Bonn zum Weltkulturerbe erklärt wurde. An deren Stelle wurde ein „Park“ angelegt und einige auf „alt“ gemachte Fertigbetonhäuser, u.a. für Polizisten und Militärs, errichtet. Es gibt riesige Wohnungsbauprojekte mit breiten Straßen am Stadtrand, auch um Türken anzusiedeln, die dann für die AKP und nicht die HDP wählen sollen. Diyarbakir ist in den letzten Jahren von ca. 500.000 auf 1,5 Mio. Einwohner angewachsen. Erdogans Ziele sind nicht vollumfänglich erfüllt worden, daher versucht er es nun auf diese Weise. Es liegt an uns allen, auch hier in Deutschland, dass seine Pläne nicht aufgehen.

Bonn, den 13.03.2020

 

HÜZÜN – In Erinnerung an Baha Güngör


 

Da die Ausbreitung des Corona-Virus es notwendig macht, wurde die Veranstaltung leider abgesagt. Bleiben Sie gesund!

 

Mittwoch, 25. März 2020 um 19:30 Uhr

Literaturhaus Köln

Baha Güngör (1950-2018) war der erste deutsche Journalist mit türkischen Wurzeln und lange Jahre Leiter der türkischen Redaktion der deutschen Welle. Bis zuletzt kommentierte er besonnen und differenziert die türkische Politik und das deutsch-türkische Verhältnis, brachte Sachlichkeit und Umsicht in emotional aufgeheizte Debatten.

Politikerin Dr. Lale Akgün, Journalist Osman Okkan und Frank Überall, Chef des Deutschen Journalistenverbandes (DJV), erinnern im Gespräch mit Moderator Gerrit Wustmann an ihren Weggefährten. Und sie lesen aus Hüzün, das heißt Sehnsucht. Wie wir Deutsche wurden und Türken blieben (Verlag J.H.W. Dietz), dem Buch, an dem Baha Güngör bis zu seinem Tod im November 2018 gearbeitet hat und das auch im Austausch mit Lale Akgün entstanden ist. Nedim Arseven begleitet den Abend musikalisch auf der Oud.

Eintritt: 9,- /7,- € | Mitglieder: 5,- €

Veranstalter: Literaturhaus Köln in Kooperation mit dem KulturForum TürkeiDeutschland

(c) privat

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Erdoğans zynischer "Handel" mit Flüchtlingen


 

 

Aus der Türkei und Griechenland erreichen uns weiterhin bedrückende Bilder. Seitdem Präsident Erdoğan die Grenzkontrollen nach Griechenland aussetzen ließ, damit syrische Flüchtende, die sich in der Türkei befinden, in die EU weiterziehen können, wiederholen sich dramatische Szenen an der griechisch-türkischen Grenze, die bereits erste Menschenleben kosteten. Es ist mehr als fraglich, dass die harten Verhandlungen zwischen Putin und Erdoğan, die auf Kosten der betroffenen Menschen im Krisengebiet weiterhin ihre zynischen Ziele verfolgen, eine spürbare Erleichterung bringt. Sowohl der IS, als auch die von Erdoğan unterstützten islamistischen Kräfte um Idlib verstärken ihre Angriffe gegen die syrischen Regierungstruppen, die mit Unterstützung Russlands weiter vorrücken.

In Istanbul starteten Anfang März überfüllte Busse in Richtung griechische Grenze und auch in Ayvalık, an der Küste gegenüber der Insel Lesbos, stehen seit Tagen Menschenschmuggler bereit, um Flüchtende in die EU zu schleusen. Sie sagen offen in die Kameras "Der Reis (Erdoğan) hat es ja jetzt erlaubt!". Das staatliche türkische Fernsehen TRT strahlte in ihren arabischen Sendungen Straßenkarten aus, die den Flüchtlingen die Strecken an die Grenzgebiete zeigten.

Auch die EU trägt bei der erneuten Flüchtlingsmisere eine große Verantwortung, weil sie nicht früher und entschiedener gehandelt hat. Der Flüchtlingsdeal mit der Türkei, von Erdoğan ohnehin schon seit langem zu einem unmenschlichen Druckmittel instrumentalisiert, scheint de facto vom Tisch.

Foto: Sakis Mitrolidis/​AFP

 

 

Rassistischer Anschlag in Hanau


 

Bei dem rassistischen Anschlag von Hanau am 19. Februar, dem zehn Menschen zum Opfer fielen, hat es der Täter gezielt auf Menschen abgesehen, die nicht in sein Weltbild passten: alle Erschossenen, bis auf die Mutter des Täters, haben einen Migrationshintergrund - HanauerInnen, die seit Jahren mit ihren Familien dort lebten. An der zentralen Trauerkundgebung nahmen auch Bundespräsident Steinmeier und Bundeskanzlerin Merkel teil. Damit ihren Worten auch Taten folgen, und zunehmenden Attacken der Rechtsextremisten endlich Einhalt geboten wird, müssen wir alle unsere Anstrengungen für eine demokratische, weltoffene Gesellschaft intensivieren. Und auch die Namen dieser Opfer nie vergessen: #saytheirnames.

 

Ahmet Altan wird 70


Osman Kavala wird nach Freispruch erneut festgenommen!


 

Die AKP-Justiz und das perfide Spiel mit der Freiheit - bei Ahmet Altan und Selahattin Demirtaş vorexerziert

#freewordsofturkey
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Die 30. Große Strafkammer zu Istanbul entschied heute Vormittag, den türkischen Verleger und Kulturmäzen Osman Kavala nach mehr als zwei Jahren aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Er und weitere acht Angeklagte wurden zunächst von allen Vorwürfen freigesprochen. Das Gericht tagte auf dem Gelände des Hochsicherheitsgefängnisses in Silivri, in dem der 62-jährige Gründer der "Kulturstiftung Anadolu" seit dem 1. November 2017 festgehalten wird. Die Staatsanwaltschaft warf ihm und 15 weiteren Angeklagten des sogenannten "Gezi-Prozesses" einen Umsturzversuch im Zusammenhang mit den regierungskritischen Gezi-Protesten von 2013 vor und forderte zuletzt für Kavala, die Architektin Mücella Yapıcı und den Akademiker Yiğit Aksakoğlu "erschwerte lebenslängliche Haft".

Das Verfahren gegen weitere sieben Angeklagte, darunter gegen den prominenten Journalisten Can Dündar, der seit 2016 in Deutschland arbeitet, wurde zunächst abgetrennt.

Die Staatsanwaltschaft Istanbul beantragte jedoch in den Abendstunden erneut die Festnahme von Osman Kavala, mit der Begründung, sie würde gegen den Freispruch Beschwerde einlegen und der Beschuldigte bis zur Entscheidung darüber in Untersuchungshaft bleiben müsse. Die Beschwerde richte sich auch gegen den Freispruch von acht weiteren Mitangeklagten, die auf freiem Fuß sind.

Nach seiner "Entlassung" aus dem Hochsicherheitstrakt in Silivri wurde Kavala nach Informationen seiner Anwälte zunächst zum Polizeipräsidium in Istanbul gebracht, wo er erneut festgenommen wurde. In den nächsten fünf Tagen muss ein Untersuchungsrichter über den Antrag der Staatsanwaltschaft entscheiden, ob er weiter in Haft bleiben muss.

Der Schriftsteller Ahmet Altan war knapp eine Woche nach seiner Freilassung erneut inhaftiert worden; im Falle von Selahattin Demirtaş wurde der Freispruch in einem Verfahren nicht berücksichtigt; er bleibt aufgrund weiterer Verfahren weiter in Haft.

Amnesty International Deutschland, die Akademie der Künste, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union dju in ver.di, das KulturForum TürkeiDeutschland, das PEN-Zentrum Deutschland und Reporter ohne Grenzen Deutschland hatten bereits mehrfach die Freilassung von Osman Kavala gefordert und auch an die Bundesregierung appelliert, sich bei bilateralen Verhandlungen dafür einzusetzen. "Das ist jemand, der sein Privatvermögen für die Kultur- und die Zivilgesellschaft eingesetzt hat. Solche Leute verdienen eigentlich, einen Orden des Präsidenten zu erhalten. Denen sollte man Denkmäler bauen und Schulen nach ihnen benennen", erklärte Regula Venske, Präsidentin PEN Deutschland, in ARD.

Im Dezember verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Untersuchungshaft für Kavala scharf und forderte seine sofortige Freilassung. Obwohl dies für die Türkei als Mitglied des Europarats bindend ist, lehnten die Behörden Kavalas Freilassung bis heute ab. Bei den 15 Mitangeklagten handelte es sich Akademiker, Architekten und Schauspieler, die mittlerweile auf freiem Fuß sind.

Die Gezi-Proteste hatten sich ursprünglich gegen die Bebauung eines Parks in der Nähe des Taksim-Platzes in Istanbul gerichtet. Sie entwickelten sich zu landesweiten Demonstrationen gegen die autoritäre Politik des damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan.
Kavala wurde unter anderem beschuldigt, die Proteste mit ausländischer Hilfe finanziert zu haben. Das EMGR hatte in seiner Entscheidung am 10. Dezember festgestellt, dass dafür keinerlei Beweise vorgelegt worden seien, die Inhaftierung vielmehr der Einschüchterung diene.

Das Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen in Deutschland hatte auch die Bundeskanzlerin Merkel aufgefordert, sich direkt beim Präsidenten Erdoğan gemäß dem EGMR-Urteil für die sofortige und bedingungslose Freilassung von Osman Kavala einzusetzen. Ebenso fordert das Bündnis die Freilassung des Schriftstellers Ahmet Altan und des Politikers und Autors Selahattin Demirtas, die trotz Proteste internationaler Juristen-Organisationen immer noch festgehalten werden. Die deutsche Bundesregierung sollte sich auf allen Ebenen für die Freilassung aller politischen Gefangenen einsetzen und auf die Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten in der Türkei drängen.

Osman Kavala hat sein Leben der Förderung von Zivilgesellschaft und Kultur in der Türkei gewidmet. In den vergangenen 30 Jahren hat er zahlreiche unabhängige Menschenrechtsorganisationen unterstützt und eine Reihe von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Verlagen mitgegründet, unter anderem die Helsinki Citizens’ Assembly (jetzt genannt Citizens’ Assembly) zur Förderung der Menschenrechte, Anadolu Kültür - eine der größten Kulturstiftungen des Landes zur Förderung der kulturellen Verständigung in der Türkei - und den İletişim Verlag, der Literatur und Sachbücher veröffentlicht, die sich häufig mit den Tabuthemen der türkischen Gesellschaft auseinandersetzen.

Der Fall von Kavala und seinen Mitangeklagten ist nur ein Beispiel für das harte Vorgehen der türkischen Regierung gegen ihre Kritiker: Während des immer noch geltenden Ausnahmezustands seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 wurden etwa 1.500 Organisationen und Stiftungen geschlossen. Friedliche Proteste werden unterdrückt, wer sich kritisch über die Regierung äußert, muss damit rechnen, festgenommen zu werden; aktuell sitzen mehr als 130 Medienschaffende im Gefängnis. Seit Juli 2016 wurde knapp 130.000 Beschäftigten des öffentlichen Dienstes wegen angeblicher "Verbindungen zu terroristischen Vereinigungen" gekündigt.

Köln, 18. Februar 2020

 

Osman Kavala ist frei!


 

Freiheit für alle politischen Gefangenen in der Türkei!

#freewordsofturkey
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Die 30. Große Strafkammer zu Istanbul entschied heute, den türkischen Verleger und Kulturmäzen Osman Kavala nach mehr als zwei Jahren aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Er und weitere acht Angeklagte wurden von allen Vorwürfen freigesprochen. Das Gericht tagte auf dem Gelände des Hochsicherheitsgefängnisses in Silivri, in dem der 62-jährige Gründer der "Kulturstiftung Anadolu" seit dem 1. November 2017 festgehalten wird. Die Staatsanwaltschaft warf ihm und 15 weiteren Angeklagten des sogenannten "Gezi-Prozesses" einen Umsturzversuch im Zusammenhang mit den regierungskritischen Gezi-Protesten von 2013 vor und forderte zuletzt für Kavala, die Architektin Mücella Yapıcı und den Akademiker Yiğit Aksakoğlu "erschwerte lebenslängliche Haft".

Das Verfahren gegen weitere sieben Angeklagte, darunter gegen den prominenten Journalisten Can Dündar, der seit 2016 in Deutschland arbeitet, wurde abgetrennt.

Amnesty International Deutschland, die Akademie der Künste, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union dju in ver.di, das KulturForum TürkeiDeutschland, das PEN-Zentrum Deutschland und Reporter ohne Grenzen Deutschland hatten bereits mehrfach die Freilassung von Osman Kavala gefordert und auch an die Bundesregierung appelliert, sich bei bilateralen Verhandlungen dafür einzusetzen. "Das ist jemand, der sein Privatvermögen für die Kultur- und die Zivilgesellschaft eingesetzt hat. Solche Leute verdienen eigentlich, einen Orden des Präsidenten zu erhalten. Denen sollte man Denkmäler bauen und Schulen nach ihnen benennen", erklärte Regula Venske, Präsidentin PEN Deutschland, in ARD.

Im Dezember verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Untersuchungshaft für Kavala scharf und forderte seine sofortige Freilassung. Obwohl dies für die Türkei als Mitglied des Europarats bindend ist, lehnten die Behörden Kavalas Freilassung bis heute ab. Bei den 15 Mitangeklagten handelte es sich Akademiker, Architekten und Schauspieler, die mittlerweile auf freiem Fuß sind.

Die Gezi-Proteste hatten sich ursprünglich gegen die Bebauung eines Parks in der Nähe des Taksim-Platzes in Istanbul gerichtet. Sie entwickelten sich zu landesweiten Demonstrationen gegen die autoritäre Politik des damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan.

Kavala wurde unter anderem beschuldigt, die Proteste mit ausländischer Hilfe finanziert zu haben. Das EMGR hatte in seiner Entscheidung am 10. Dezember festgestellt, dass dafür keinerlei Beweise vorgelegt worden seien, die Inhaftierung vielmehr der Einschüchterung diene.

Das Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen in Deutschland hatte auch die Bundeskanzlerin Merkel aufgefordert, sich direkt beim Präsidenten Erdoğan gemäß dem EGMR-Urteil für die sofortige und bedingungslose Freilassung von Osman Kavala einzusetzen. Ebenso fordert das Bündnis die Freilassung des Schriftstellers Ahmet Altan und des Politikers und Autors Selahattin Demirtaş, die trotz Proteste internationaler Juristen-Organisationen immer noch festgehalten werden. Die deutsche Bundesregierung sollte sich auf allen Ebenen für die Freilassung aller politischen Gefangenen einsetzen und auf die Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten in der Türkei drängen.

Osman Kavala hat sein Leben der Förderung von Zivilgesellschaft und Kultur in der Türkei gewidmet. In den vergangenen 30 Jahren hat er zahlreiche unabhängige Menschenrechtsorganisationen unterstützt und eine Reihe von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Verlagen mitgegründet, unter anderem die Helsinki Citizens’ Assembly (jetzt genannt Citizens’ Assembly) zur Förderung der Menschenrechte, Anadolu Kültür - eine der größten Kulturstiftungen des Landes zur Förderung der kulturellen Verständigung in der Türkei - und den İletişim Verlag, der Literatur und Sachbücher veröffentlicht, die sich häufig mit den Tabuthemen der türkischen Gesellschaft auseinandersetzen.

Der Fall von Kavala und seinen Mitangeklagten ist nur ein Beispiel für das harte Vorgehen der türkischen Regierung gegen ihre Kritiker: Während des immer noch geltenden Ausnahmezustands seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 wurden etwa 1.500 Organisationen und Stiftungen geschlossen. Friedliche Proteste werden unterdrückt, wer sich kritisch über die Regierung äußert, muss damit rechnen, festgenommen zu werden; aktuell sitzen mehr als 130 Medienschaffende im Gefängnis. Seit Juli 2016 wurde knapp 130.000 Beschäftigten des öffentlichen Dienstes wegen angeblicher "Verbindungen zu terroristischen Vereinigungen" gekündigt.

Köln, 18. Februar 2020

 

Lebenslang für türkischen Menschenrechtler?


 

Prozess gegen Osman Kavala

Sendetermin

So., 16.02.20 | 23:05 Uhr
Das Erste

Osman Kavala ist ein türkischer Verleger, Kunst- und Kulturförderer und ein Menschenrechtler. Er hat ein Kulturzentrum mit Galerie, gibt gerne als Sohn einer vermögenden Familie sein Geld auch für Völkerverständigung aus, wie etwa für ein Jugend-Symphonieorchester, in dem Türken und Armenier gemeinsam musizieren. Unglaublich, aber das wurde ihm zum Verhängnis: Kavala sitzt in Haft. "Das ist jemand, der sein Privatvermögen für die Kultur- und die Zivilgesellschaft eingesetzt hat. Solche Leute verdienen eigentlich, einen Orden des Präsidenten zu erhalten. Denen sollte man Denkmäler bauen und Schulen nach ihnen benennen", erklärt Regula Venske, Präsidentin PEN Deutschland.

Osman Kavala unterstützte Gezi-Proteste

Osman Kavala war bei den Gezi-Protesten im Mai 2013 dabei. Es ging darum, den einzigen Park in Instanbuls Zentrum zu bewahren, der einer geplanten Shoppingmall weichen soll. Osman Kavala unterstützte diese größte Protestbewegung der Türkei. 

Bald verlangten die Demonstranten den Rücktritt von Ministerpräsident Erdogan, der das Land damals schon fast im Alleingang regierte. 112 Tage dauerten die Proteste, am Ende starben offiziell fünf Menschen, mehr als 8.000 wurden verletzt. Für Erdogan stand der Hauptschuldige schnell fest: Osman Kavala. "Das ist jemand, der während seiner Agententätigkeit geschnappt wurde", sagte er. "Manche versuchen, ihn uns als Vertreter der Zivilgesellschaft, Medienmacher, Gutmenschen und guten Staatsbürger zu verkaufen, um uns in die Irre zu führen."

Ein Anklagepunkt: Kontakte mit Ausländern. Die hat Kavala tatsächlich; so organisiert er etwa mit dem Goethe Institut einen Lesebus für Jugendliche.

Mehr als zwei Jahre im Gefängnis – ohne Verurteilung

Eine Gerichtsverhandlung gegen Kavala im letzten Jahr wurde von der Öffentlichkeit mit großem Interesse verfolgt. Die Staatsanwaltschaft verlangte eine lebenslange Haftstrafe wegen des angeblichen Umsturzversuches. Kavalas Entlassung aus der Untersuchungshaft komme wegen Fluchtgefahr nicht in Frage, so die Staatsanwaltschaft. Seit mittlerweile zweieinhalb Jahren sitzt er jetzt im Gefängnis ohne Verurteilung.

"Diese Regierung versucht, die Gezi-Proteste zu politisieren, mit Absicht", sagt Sezgin Tanrikulu, Oppositions-Politiker (CHP). "Sie stellt sie als gezielten Umsturzversuch gegen die Regierung dar. Sie blendet aus, dass die Gezi-Proteste sich spontan und unorganisiert verbreitet haben. Nun übt die türkische Regierung Druck auf die Justiz aus, um ihre These vom Umsturzversuch bestätigt zu bekommen."

Can Dündar ist Mitangeklagter

Einer der 16 Mitangeklagten der Gezi-Proteste lebt und arbeitet inzwischen in Berlin. Im Babylon-Kino werden gerade die Filme vom kritischen Journalisten Can Dündar gezeigt. Auch Dündars Fall ist noch offen und wird in Abwesenheit verhandelt. Im selben Prozess wie Osman Kavala. "Der Vorwurf gegen mich heißt 'Medienarbeit während der Gezi-Proteste'", erklärt er. "Weil die Medien damals gleichgeschaltet oder zum Schwiegen gebracht worden waren, wollten wir ein alternatives Nachrichtenangebot auf die Beine stellen. An ein paar Sitzungen hat auch Osman Kavala teilgenommen. Wir reden hier von einem Land, in dem alternative Medienarbeit mit lebenslanger Haft bedroht wird." 

Als man Can Dündar in der Türkei mit Anklagen nicht zum Schweigen bringen konnte, verübte ein türkischer Nationalist einen Anschlag auf ihn. Dündar blieb unverletzt. Kurz danach flieht er nach Deutschland.

Osman Kavala – ein Privatgefangener Erdogans?

Osman Kavala blieb in der Türkei und sitzt seit November 2017 in Untersuchungshaft. Immer wieder verlangen Menschen vor dem Gefängnis Silivri seine sofortige Freilassung.

"Er ist ja nicht angeklagt für etwas, das er geschrieben oder gemacht hätte", sagt Regula Venske. "Es gibt Menschen, die sagen, er sei ein Privatgefangener Erdogans. Und er sitzt seit langer Zeit in Haft. Der Europäische Menschengerichtshof hat im Dezember seine sofortige Freilassung gefordert und angeordnet. Es gibt keinen Grund, ihn gefangen zu halten. Das ist ein eklatanter Verstoß gegen die Menschenrechte, aber die werden in diesem Fall – wie auch in anderen – leider mit Füßen getreten."

Der PEN Deutschland setzt sich vehement für die Freilassung Osman Kavalas ein. Der Autorenverband hat eine Petition gestartet, weil er weiß, dass die türkische Justiz nicht unabhängig agiert. Der PEN-Deutschland fordert eine Intervention auf höchster Ebene, damit Osman Kavala endlich frei kommt. "Wir versuchen natürlich auch, auf Politiker einzuwirken, dass sich führende deutsche Politiker für Osman Kavala einsetzen und seine Freilassung fordern", so Ralf Nestmeyer, PEN Writers-in-Prison.

In zwei Tagen wird der Prozess gegen Osman Kavala fortgesetzt. Das Urteil wird auch ein Signal sein für die Zukunft der Menschenrechte in der Türkei.

(Beitrag: Halil Gülbeyaz)

(>> LINK)

 

Freispruch für Aslı Erdoğan!


 

Ein Gericht in der türkischen Stadt Istanbul hat die Schriftstellerin Aslı Erdoğan vom Vorwurf des "Terrorismus" freigesprochen. Die Richter befanden Erdoğan als der "Mitgliedschaft in einer Terrorvereinigung" sowie "Zersetzungsversuchen" nicht schuldig. Das Gericht ordnete zudem die Einstellung eines Verfahrens wegen "Terrorpropaganda" gegen die Autorin an.

Erdoğan war im August 2016 während einer Razzia gegen die prokurdische Zeitung Özgür Gündem festgenommen worden. Ihr wurde "Terrorpropaganda" und ein Versuch der "Zerstörung der nationalen Einheit" vorgeworfen. Nach vier Monaten durfte sie die Untersuchungshaft verlassen, allerdings wurde eine Ausreisesperre gegen sie verhängt. Diese wurde im September 2017 aufgehoben, sodass sie nach Deutschland ausreisen konnte, um den Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis der Stadt Osnabrück entgegenzunehmen.

(>> Die Zeit)

 

 

Die "angeklagten Texte" von Aslı Erdoğan


 

 

Die türkische Staatsanwaltschaft fordert für Aslı Erdoğan, Writers-in-Exile (WiE)-Stipendiatin des PEN-Zentrums Deutschland, unter dem absurden Vorwurf der "Terrorpropaganda" eine Haftstrafe von insgesamt neun Jahren und vier Monaten. Die Anklage stützt sich auf Artikel, die bereits 2016 in der Türkei veröffentlicht wurden, ohne dass sie Gegenstand einer Untersuchung oder Anklage gewesen wären. Zu ihnen zählt ein Essay, der 2017 im Knaus Verlag als Teil des Bandes "Nicht einmal das Schweigen gehört uns noch" erschienen ist. Die Essaysammlung wurde vielfach ausgezeichnet und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Der Urteilsspruch wird für den 14.2.2020 erwartet.

Ihre Artikel in deutscher Sprache, enthalten in mehreren Büchern, können Sie in der Übersetzung von Sabine Adatepe (und Angelika Gillitz-Acar & Angelika Hoch-Hettmann bei "Faschismustagebuch: Heute") hier lesen:

 

***

Aslı Erdoğan: Yetmiş beş - yetmiş altı / Fünfundsiebzig - sechsundsiebzig, 28.06.2016

 

Ich habe die Toten einzeln gezählt… Heute zum ersten Mal. Vor sechs Jahren, an einem heißen Julitag war ich zu Özgür Gündem gekommen, in einem kaum beachteten Gefängnis war ein KCK[1]-Gefangener in der Zelle der gewöhnlichen Straftäter verbrannt. Über ihn wollte ich schreiben. Über sein Leben und seinen Tod, seine Jugend. Über das gemeinsam entzündete, von menschlichem Fett glänzende Streichholz … Ich war gekommen und vor dieser Mauer stehengeblieben.

Ich habe die Toten einzeln gezählt. Fünfundsiebzig. Auch Musa Anter[2] stand hier, vor dieser Mauer, auch Gurbetelli Ersöz, die erste weibliche Chefredakteurin der Presse in der Türkei, auch Metin Göktepe[3] … In sechs Jahren hatte sich in dieser Stadt, diesem Viertel fast alles verändert - vor lauter Baustellen ist sogar das Meer nicht mehr zu sehen - doch die Gesichter der Toten, ihre Blicke sind stets dieselben, sie lächeln still. Fast alle sind sehr jung, sind ewig jung … Hundert Jahre Jugend und mehr … Ein letztes, stilles Land.

Ich blicke auf die Zeitungsausschnitte an der Mauer, die Zeitungen erschienen alle mit unterschiedlichen Namen, manche in Schwarzweiß. Özgür Gündem, Özgür Ülke, Ülkede Gündem, Yedinci Gündem, Yeni Gündem, Politika, Yeni Ülke, Yeni Bakış, Günlük … 21. September 1992: Sie haben unseren Autor ermordet. 4. Dezember 1994, Özgür Ülke wird mit Granaten beschossen. Ersin Yıldız kommt um, 23 Verletzte bei dem Feuer, das nicht gelöscht wird. September 2001: Festnahmen, Prügel und Tod bei der Friedensdemo. 27. Juni 2016: Seien wir eine Schale Wasser. Feuerkessel Lice[4]

Für sich allein, dem Plakat noch nicht hinzugefügt, das Foto von Kadir Bağdu, dem Austräger, der vor zwei Jahren in Adana umgebracht worden war. „Wir müssen jetzt aktualisieren“, sagte ein Kollege, absolut realistisch …

Für meinen Solidaritätsartikel habe ich ein paar Details aus der langjährigen Geschichte der Repressalien gegen Özgür Gündem, die unter mehr als fünfzig Namen erscheinen musste, zusammengestellt. (Hüseyin Aykol, „Kürt Medyasında Yirmi Yıl“ [Zwanzig Jahre in den kurdischen Medien])

* Özgür Gündem, erstmals erschienen am 30. Mai 1992, kam an insgesamt 580 Tagen heraus, gegen 486 Ausgaben wurden Verfahren angestrengt, ihre Journalist*innen wurden zu 147 Jahren Haft verurteilt.

* Unter der Leitung von Gurbetelli Ersöz erschien die Zeitung am 23. April 1993 erneut, vor Ablauf von acht Monaten, am 10. Dezember, am Tag der Menschenrechte, führten Hunderte Polizisten eine Razzia durch, als die Mitarbeiter*innen unter Misshandlungen festgenommen wurden, gingen sie in den Hungerstreik, Gurbetelli Ersöz wurde zu einer Haftstrafe verurteilt.

* Am 28. April 1994 erschien Özgür Ülke, in der Nacht des 2. Dezember wurde sie mit Granaten beschossen, Ersin Yıldız kam ums Leben, 23 Mitarbeiter*innen wurden verletzt. Am 2. Februar wurde die Zeitung per Gerichtsbeschluss verboten, gegen sieben Redaktionsleiter erging Haftbefehl.

* Yeni Politika erschien im April, im August wurde sie verboten.

* Ülkede Gündem: wurde im Juli 97 gegründet, Journalist*innen, Verteiler*innen waren Drohungen, Festnahmen und Misshandlungen ausgesetzt. Die Redaktion in Batman wurde mit Granaten beschossen. Im Oktober 98 wurde sie vom Staatssicherheitsgericht verboten.

* Özgür Bakış: wurde im April 1998 gegründet, 125 Ausgaben wurden konfisziert, der Redaktionsleiter verhaftet.

* Mai 2000: 2000’de Özgür Gündem, Verfahren, Geld- und Haftstrafen … September 2003: Yeniden Özgür Gündem, an 545 Tagen 315 Verfahren … März 2004: Ülkede Özgür Gündem, 600 Verfahren, 16 Jahre Haft für den Redaktionsleiter … Januar 2007: Gündem, vor Ablauf eines Jahres auf Fingerzeig des Generalstabs verboten … Güncel, Alternatif, Gelecek, Günlük … Verbote, Publikationssperren …

Gegen Özgür Gündem, die diesen Namen im April 2011 wiederbekam, wurden bis heute über 200 Verfahren eingeleitet! Bevor GÜNDEM [die Agenda[5]] nicht frei ist, wird die Türkei nicht frei sein.

 

 



[1] KCK: Koma Civakên Kurdistan (Union der Verbände Kurdistans), eine Organisationsform der PKK.

 

[2] Musa Anter (1920-1992): kurdischer Intellektueller und Publizist, der 1992 in Diyarbakır in einen Hinterhalt gelockt und ermordet wurde.

 

[3] Der Journalist Metin Göktepe (1969-1996) wurde bei einer Massenverhaftung auf einer Beerdigung, über die er berichten wollte, zusammengeschlagen und erlag am selben Tag seinen Verletzungen, da ihm medizinische Behandlung verweigert wurde.

 

[4] Bei einer Militärgroßoperation in Lice/Diyarbakır wurde u.a. großflächig Wald in Brand gebombt.

 

[5] Wortspiel: „Özgür Gündem“ bedeutet „Freie Agenda“.

 

 

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Aslı Erdoğan: Öteki Gündem / Die andere Agenda, 01.07.2016

 

In meinem am Dienstag im Rahmen des „Solidaritätseinsatzes“ publizierten Text („Fünfundsiebzig, sechsundsiebzig“) hatte ich versucht, die 25-jährige Geschichte von Repression und Widerstand der Zeitung Özgür Gündem in Schlaglichtern zusammenzufassen. (Improvisieren war noch nie meine Sache, ich brachte lediglich einen Text zustande, der viel konfuser war als geplant und wie mittendrin abgebrochen wirkte. In der hektischen Atmosphäre der Zeitung gelang mir nicht, meine an nächtliche Einöde und Einsamkeit gewöhnten Schreibe zu konzentrieren. Auch bitte ich für die Fehler beim Setzen um Entschuldigung.) Die „Cebelistan“[1]-Texte, die ich im Frühjahr 2011 begann und mit Unterbrechungen fortsetze, verstehe ich ohnehin als sehr langen Solidaritätsdienst.

1990er Jahre … Fünfundsiebzig Zeitungsmitarbeiter werden getötet, das Hauptgebäude der Zeitung und Niederlassungen werden mit Granaten beschossen. Polizeirazzien, Festnahmen unter Misshandlungen, Hungerstreiks, Drohungen, Verbotsurteile, schwere Haftstrafen, Hunderte, Tausende, unzählbar viele Verfahren … 2000er Jahre … Beinahe tägliche Repression, Ermittlungen, Prozesse, Konfiszierungen, Verbotsbeschlüsse, Verhaftungen, Haftstrafen … Die Zeitung, die noch vor Ablauf ihres ersten Jahres verboten wurde, zum Schließen gezwungen wurde, innerhalb weniger Monate sich aber erneut der Asche erhob, erschien notgedrungen unter verschiedenen Namen: Özgür Gündem, Özgür Ülke, Ülkede Özgür Gündem, Yaşamda Gündem, Yeni Ülke, İki binde Özgür Gündem, Demokrasi, Gelecek, Özgür Bakış, Yeniden Özgür Gündem, Gerçek, Güncel, Günlük

Die Liste ist unvollständig, die Geschichte der Özgür Gündem ist nicht in ein, zwei Kolumnen unterzubringen. Der Geschichte der kurdischen Presse - auf Türkisch, Kurdisch und in anderen Sprachen publizierte Tages- und Wochenzeitungen, Zeitschriften, Radio- und Fernsehsender usw. – wäre höchstens in einem zwei-, dreibändigen Buch gerecht zu werden. Die Leserschaft, die dem Narrativ der Kurd*innen, ihrem Kampf um Selbstbestimmung über ihre eigene Realität, aus diesem oder jenem Grund mit Ausreden und Vorurteilen distanziert gegenübersteht, weiß vom Hörensagen vielleicht nur vom Mord an Musa Anter[2] und von der Bombardierung der Zeitung Özgür Ülke. Von fast achtzig Morden, einer frappierenden Anzahl von Verfahren, von Haftstrafen hat sie keine Ahnung, denke ich, sie ist sich nicht bewusst, dass seit vierundzwanzig Jahren für diese 16-seitige Zeitung, die an den meisten Kiosken gar nicht zu bekommen ist, hohe Preise bezahlt werden. Für genau diese Leserschaft möchte ich noch einmal unterstreichen: Sogar im „goldenen Zeitalter“ unserer Demokratie - die 2000er Jahre - stand Özgür Gündem unter dem Druck von Ermittlungen und Prozessen, von Beschlüssen zu Konfiszierung und Publikationssperren. An einem der Nullpunkte dieser Phase, die wir später vielleicht einmal als „die schrecklichen 2010er Jahre“ erinnern werden, Ende 2011, führte die Polizei zweimal Razzien bei der Zeitung durch und verhaftete auf einen Schlag sämtliche Mitarbeiter*innen. Nur ein Jahr später, als die Türkei mit über einhundert inhaftierten Journalist*innen einen weiteren ihr ganz eigenen Rekord brach, waren drei Viertel der Journalist*innen im Gefängnis Mitarbeiter*innen kurdischer Presse, Zeitungen und Nachrichtenagenturen. Bei uns saßen mehr Journalist*innen in Haft als im gesamten Rest der Welt, angesichts der internationalen Proteste schwiegen die Mainstreammedien wie üblich. Die Statements vom Staat lauteten selbstverständlich dahingehend, gegen diese Personen sei nicht wegen ihrer Journalistentätigkeit Haftbefehl ergangen … Man klammerte sich an einen einzigen Fehler auf einer Liste mit 102 Namen, wo ein Name doppelt aufgeführt war, machte einen Aufstand. Die üblichen Taktiken der Diskriminierung wurden eingesetzt, ein einziger Fehler bei einem Namen wurde als Beweis dafür angeführt, dass man den Worten der kurdischen Presse nicht trauen könne, dass sie lüge. Ignoriert wurde, dass die diskriminierte, kriminalisierte kurdische Presse in der Situation eines Opfers war, dass sie ihrer Rechte beraubt war. Ihr Bestreben, die eigene Geschichte zu erzählen, während sie in der Lage des ewigen „Schuldigen“ permanent gezwungen war, ihre Existenz zu verteidigen, wurde nicht gehört, nicht gesehen, ihr wurde nicht getraut, sie wurde von der Tagesordnung gedrängt.

Die Repressionen gegen die Medien heute schreien zum Himmel! Ermittlungen, Prozesse, Geld- und Haftstrafen … Außer den regierungsnahen gibt es keine Medien mehr, die nicht betroffen wären von wirtschaftlichen oder „rechtlichen“ Maßnahmen der Einschüchterungspolitik. Polizeirazzien, Festnahmen, Lynchattacken, physische Gewalt von Prügel bis zu Beschuss, die früher der kurdischen oder sozialistischen Presse vorbehalten waren, sind jetzt gemeinsames Schicksal aller Oppositionellen. Mit der Verhaftung ihrer kommissarischen Chefredakteur*innen schrieb Özgür Gündem bedauerlicherweise einmal mehr „Geschichte“! Hoffen wir, dass wir später, wenn wir auf diese Faschismuszeit zurückblicken, uns dieser Tage als Tage der Solidarität und des Widerstands erinnern werden. Hoffen wir es …



[1] Cebelistan (osmanisch für Gebirge, gebirgiges Gelände): gemeint sind die Kolumnen in Özgür Gündem, die sie seit April 2011 schrieb.

 

[2] Musa Anter (1920-1992): kurdischer Intellektueller und Publizist, der 1992 in Diyarbakır in einen Hinterhalt gelockt und ermordet wurde.

 

 

 

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Aslı Erdoğan: Ayların en zalimi / Der grausamste Monat 08.07.2016

 

Meldung vom 30. Mai, Evrensel: 76. Tag der Ausgangssperre und Abriegelung von Nusaybin. Nach der Erklärung der [Selbstverteidigungsmiliz] YPS, sie habe ihre bewaffneten Kräfte abgezogen, wurden Bombardierung und Militäreinsatz noch verstärkt, der Beschuss durch Panzer und Artillerie wird verschärft. Aus den Wohnvierteln wurden 42 Personen geholt, gegen 24 erging Haftbefehl, Augenzeugen sagen, eine Vielzahl von Zivilisten sei misshandelt worden. „Die meisten, die rauskamen, waren Zivilisten, die meisten minderjährig. Sie gaben sich fürsorglich, doch anschließend misshandelten sie die Leute, Familienangehörige beobachteten, dass sie im Gewahrsam Kopf- und Armverletzungen erlitten.“

 

* Şırnak wurde aus Bussen beschossen, ununterbrochene Bombardierung am 76. Tag, zahlreiche Häuser in Brand gesetzt.

* In Cizre war Emrullah Er (19) von Polizei beschossen, als er mit seiner Mutter ins Cudi-Viertel unterwegs war, um den Großvater zu holen, der bis Tag 35 der Ausgangssperre das Haus nicht verlassen hatte. Da er verhaftet wurde, bevor er ärztlich versorgt werden konnte, steht zu befürchten, dass er seinen Arm verliert. „Es hieß, sie würden nicht auf die weiße Flagge schießen. Aber sie schossen und verhafteten ihn, obwohl er verwundet war.“

* Das Schicksal des DBP-Vorsitzenden der Provinz Şırnak, Hurşit Külter, ist weiter ungewiss. Die Präfektur erklärt, Külter sei nicht festgenommen worden, auf dem Twitter-Account der Sondereinsatzkommandos hingegen wurde angegeben, er werde bei TEM [Anti-Terror-Einheit] festgehalten. Vom Account BÖF[1] Tweet_Guneydogu erhielt Mahmut Külter folgende Antwort, als er in den sozialen Medien nach dem Verbleib seines Cousins fragte:

BISTDU AUCH DA DÖRFLER @KULTERMAHMUT BERUHIG DICH

HURŞİT IST IN DEN ARMEN DER TEM-BRÜDER TRÄGT SHORTS WIR HABEN IHM EIN BISSCHEN EINGEHEIZT ABER REG DICH NICHT AUF WARTE BIS DIE REIHE AN DIR IST (28 Mai 17:11)

Einen Monat später, 30. Juni: Während der Militäroperation in Lice riss der Kontakt zu 19 Dörfern und 58 Ansiedlungen ab. Der Menschenrechtsverein IHD erklärte, man sei in Sorge um das Leben der Zivilisten, alles stehe in Flammen.

* Seit 35 Tagen keine Nachricht von Hurşit Külter. Seine Mutter bezeichnet den Monat seit dem Verschwinden ihres Sohnes als „Albtraum“.

(6. Juli, Özgür Gündem) * Soldaten und SEK-Polizisten, die am Morgen des 30. Juni die Siedlung Mehla, Dorf Kerwas, Kreis Lice, abriegelten, misshandelten die 34 Dörfler, die versucht hatten, das Feuer zu löschen, Mehmet Şirin Kocakaya kam dabei um. „Sie traten auf Mehmet und seine Brüder ein, Mehmets Stöhnen hörte sogar sein gelähmter Vater in 300 Metern Entfernung. Uns alle - nur drei kleine Kinder und Mehmets Vater ließen sie zurück - steckten sie in einen BMC Kirpi und hielten uns dort fest. Zehn Minuten später kam der Krankenwagen für Mehmet. Wir fragten einen Soldaten. Der sagte: Sie haben ihn in den Krankenwagen gelegt, aber höchstwahrscheinlich ist er tot.“

* Drei Minderjährige unter den 42 Zivilisten, die in Nisebin [= Nusaybin] in Gewahrsam genommen waren, berichteten in Briefen aus dem Gefängnis von Folter. H.A. und E.T., beide 16 Jahre alt, schrieben, vor laufender Kamera würden die Soldaten Kuchen, Obst und Wasser verteilen, kaum seien die Kameras ausgeschaltet aber alles wieder einsammeln, die Kinder würden stundenlang geschlagen, die Frauen an den Haaren geschleift und Treppen hinuntergeworfen. H.A. wurde der Arm verbrannt, sein Zeigefinger gebrochen, nach Kolbenhieben steht zu befürchten, dass er ein Auge verliert. Ç.K. (16), der gefoltert wurde, obwohl er einen Bauchschuss erlitten hatte, berichtete, ihm seien, als die Kameras aus waren, die Hände gefesselt worden, dann habe man ihn über den Boden geschleift.

* Seit 41 Tagen keine Nachricht von Hurşit Külter. „Sie sollen meinen Sohn herausgeben, ob tot oder lebendig. Was haben sie mit ihm gemacht?“

 

Meldung von der letzten Seite: Die Kommune der Großstadtregion Wan bemüht sich in Gever um medizinische Versorgung von Haustieren. Die meisten auf der Straße lebenden Tiere wiesen Brandwunden auf, es bestehe die Gefahr von Hunger und Seuchen. Auf dem Foto ist ein Straßenhund mit pechschwarzer Nase zu sehen, der sich in ein Haus geflüchtet hatte, das nur noch ein Schutthaufen ist. Dort, unter einem Fenster, zwischen einem umgekippten Schrank und einem Stuhl, ist er gestorben. Blut oder eine Verletzung sind nicht zu sehen, möglicherweise ist er teilweise verbrannt. Am Fenster weht ein in Streifen gerissener weißer Vorhang, die Junisonne liebkost in all ihrer Pracht den Hund, der all seine Farbe verloren hat.

 

 



[1] BÖF = Bilgilendirme ve Önleme Faaliyetleri, Informations- und Präventionsaktivitäten, polizeiliche Einrichtung, die Jugendliche mit Sport u.ä. beschäftigt, um sie von „Terror-Organisationen“ fernzuhalten.

 

 

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Faschismustagebuch: Heute

 

Ein Tag ohne Anfang und Ende, ein weiterer Tag … wie ein Komma, das stumm an seiner festgelegten Stelle ausharrt, an die zwei lange Sätze es wahllos zwischen Vergangenheit und Zukunft gesetzt haben. Zwei endlose, eintönige, einander wiederholende Sätze, die nicht aussprechen, was passiert ist, was unwiderruflich verloren ist, was wieder und immer wieder verloren gehen wird … die nicht darauf hinweisen, was nie mehr sein wird … Vergangenheit und Zukunft. Zwei kleine Worte nur, die sich in den Netzen verfangen haben, die du auf die Oberfläche dieses unbekannten Etwas geworfen hast, das man Leben nennt, und die du aus dem unermesslichen Nebel gezogen hast, der die Küsten und Wasser verbirgt. Hohl klingende Worte, die in das Gelächter der Ewigkeit ausbrechen, sobald du ihnen lauschst … Was du mit bloßen Händen finsteren Abgründen entwandst, aber deinen eisigen Fingern entglitt, war »vergangen«, noch bevor es gehoben war, der schweigende und erkaltete Schlamm deiner einzigen Vergangenheit. Aber dort, gleich einem Heer, dessen Bajonette am gegenüberliegenden Flussufer aufblitzen, bereitet sich schon das »Kommende«, unausweichlich, wie es ist, auf sein Erscheinen vor … Und mitten daraus hervorströmend Momente, Tage, das Heute, als würden sie durch einen nicht zu kittenden Riss quellen … Das Leben, das einer Wunde gleicht, die erst schmerzt, wenn das Blut gestillt ist, oder auch vielleicht einfach das Fehlen des Lebens, das nur durch Schmerz seine Existenz kundtut …

 

Die Tage des Massakers … Brutalität, Tränen und Blut. Diese Worte bezeichnen nun nicht mehr die Motive längst überholt geglaubter Marschmusik, der »großen Erzählungen« und Heldenepen, die keiner mehr freiwillig liest oder der unzählig oft gelesenen, gehörten, immer und immer wieder gesehenen Nachrichten, sondern Licht, Schatten und Farben unseres Alltags, die den Horizont der Wahrheit verengen und verdunkeln … Als hätten wir noch viele Worte zu machen und würde uns zugleich die Stimme versagen. Wie, wenn nicht einmal mehr dieses Schweigen, das an die Stelle echter Wehklagen getreten ist, das unsere wäre, gleichsam, als gehörte uns unsere Stimme, die so hohl klingt, wenn wir etwas erzählen, erläutern, benennen wollen, gar nicht mehr. Unser Händedruck wird immer lascher, schnell bilden wir die gewohnten Sätze und werfen sie uns immer schneller zu. Bei jeder Gelegenheit wiederholen wir aus voller Brust »in welch schlechten Zeiten wir doch leben«, wir wiederholen es und lenken uns ab. Unsere Rufe »wir leben, hier sind wir« hallen noch lange nach, sie hallen nach, finden aber kein Gehör. Wie frisch bemalte Gliederpuppen wenden wir einander unsere starren Gesichter zu, doch es ist, als könne uns niemand in die Augen sehen. Mit der Lethargie derer, die etwas schon tausendmal gesehen haben, glei­ten die gleichgültigen Blicke immerzu irgendwo anders hin, ins Leere. Die Spiegel sind unbelebter, einsamer denn je. Hohle und tote Augen, hohle und kalte Worte, erkaltete und tote Herzen. Es ist, als hätten wir eine stümperhafte Kopie von uns in die Vergangenheit, in unsere eigene Vergangenheit geschickt, aber als hätten sich die Gesichtszüge für die Zukunft einfach nicht formen lassen. Es scheint als wäre das Fehlen der einen Erscheinungsform mit dem Fehlen der anderen Erscheinungsform vertauscht worden … Wir gehen ebenso bedächtig durch diese Tage, als schlichen wir auf Zehenspitzen durch einen Krankenhausflur.

 

In der grauen Morgendämmerung des Fegefeuers und der Nebelschleier gehen und gehen wir unbeirrbar auf einem schmalen Pfad, der sich dahinstreckt wie eine Zunge, gehen auf einem Pfad, an den kein Wehklagen und kein Mahnen mehr dringt.

 

Die unerträgliche Last, in Zeiten zu leben und zu schreiben, in denen in Kellern eingeschlossene Menschen – darunter Verletzte und Kinder – bei lebendigem Leib verbrannt werden … Die entsetzliche Last der Sprachlosigkeit der Worte, Worte, die an die Stelle des Lebens treten … Dieser Abgrund ist hier wie dort, in der Vergangenheit, der Zukunft, im Heute … Wie sehr wir auch die Augen davor verschließen, wir werden den Anblick dessen, was sich in diesem beispiellosen Abgrund abspielt, nicht mehr los … Es sieht uns an mit der Stille von Erzählungen, von Sätzen, die ihr Subjekt verloren haben, mit der ewigen Stille aller Geschichten, aller Leben, die plötzlich abreißen, es lauert und dringt in der nebelhaften Unendlichkeit ganz in uns ein.

 

Vielleicht werden wir irgendwann einmal, wenn wir uns an diese Tage erinnern, sagen »im Grunde war nicht alles an diesem Faschismus schlecht«, während wir die tiefen Wunden einer Gliederpuppe mit neuer Farbe übertünchen.

 

Aus dem Türkischen von Angelika Gillitz-Acar und Angelika Hoch-Hettmann

 

Aus: „Nicht einmal das Schweigen gehört uns noch“, Essays. Albrecht Knaus Verlag, München, 2017.

(>> zur zweisprachigen Ausgabe)

 

 

 

Türkische Justizfarce um Aslı Erdoğan


 

Deutscher PEN und KulturForum stellen sich hinter die Writers-in-Exile-Stipendiatin und fordern ihren Freispruch
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Pressemitteilung, Darmstadt, 30. Januar 2020. Das deutsche PEN-Zentrum und das KulturForum protestierten gegen die Entscheidung der türkischen Staatsanwaltschaft, Aslı Erdoğan, Writers-in-Exile (WiE)-Stipendiatin des PEN-Zentrums Deutschland, unter dem absurden Vorwurf der "Terrorpropaganda" anzuklagen. Mit der staatsanwaltlichen Forderung nach einer Haftstrafe von insgesamt neun Jahren und vier Monaten, die sich einzig gegen literarische Texte Erdoğans richten, hat die türkische Justiz wiederholt jedes Maß verloren. Die Autorin ist von sämtlichen Anklagepunkten freizusprechen.

Die Anklage stützt sich auf vier Artikel, die bereits 2016 in der Türkei veröffentlicht wurden, ohne dass sie Gegenstand einer Untersuchung oder Anklage gewesen wären. Zu ihnen zählt ein Essay, der 2017 im Knaus Verlag als Teil des Bandes "Nicht einmal das Schweigen gehört uns noch" erschienen ist. Die Essaysammlung wurde vielfach ausgezeichnet und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Der Urteilsspruch wird für den 14.2.2020 erwartet.

"Erneut offenbart das türkische Justizsystem, dass es seine Unabhängigkeit verloren hat und der politischen Willkür eines Despoten unterworfen ist", so Ralf Nestmeyer, Vizepräsident und Writers-in-Prison-Beauftragter des PEN.

Aslı Erdoğan ist Schriftstellerin und Menschenrechtsaktivistin. Sie war Kolumnistin der Tageszeitung Özgür Gündem. Nach dem gescheiterten Putsch vom 15. Juli 2016 verhaftete die Istanbuler Polizei sie wegen Störung der nationalen Einheit. Ende 2016 wurde Erdoğan unter Auflagen freigelassen. 2017 durfte sie ausreisen und kam nach Deutschland. Seit Oktober 2019 ist sie WiE-Stipendiatin des deutschen PEN.

Für das PEN-Zentrum Deutschland

Leander Sukov
Vizepräsident und Writers-in-Exile-Beauftragter

Untertsützt vom KulturForum TürkeiDeutschland:

Osman Okkan, Vorstandssprecher

Die beigefügte Bilddatei darf ohne weitere Genehmigung mit dem Vermerk "Verwendung mit freundlicher Genehmigung des Penguin Verlages, © Carole Parodi" unentgeltlich verwendet werden.

 

 

Gemeinsame Presseerklärung


 

Freiheit für Osman Kavala!

Heute entschied die 30. Große Strafkammer zu Istanbul, dass der türkische Verleger und Kulturmäzen Osman Kavala auch nach mehr als zwei Jahren weiter in Untersuchungshaft bleiben muss. Damit ignorieren die türkischen Behörden weiterhin die bindende Forderung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom Dezember nach einer sofortigen Freilassung.

Amnesty International Deutschland, die Akademie der Künste, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union dju in ver.di, das KulturForum TürkeiDeutschland, das PEN-Zentrum Deutschland und Reporter ohne Grenzen Deutschland kritisieren diese Haltung vehement und fordern eine sofortige Freilassung von Osman Kavala. Die deutsche Bundesregierung soll sich konsequent dafür einsetzen, dass Osman Kavala und alle anderen Kultur- und Medienschaffenden in der Türkei frei und ohne Repressalien arbeiten können.

Das Gericht tagte auf dem Gelände des Hochsicherheitsgefängnisses in Silivri, in dem der 62-jährige Gründer der "Kulturstiftung Anadolu" seit dem 1. November 2017 festgehalten wird. Die Staatsanwaltschaft wirft Kavala und 15 weiteren Angeklagten des sogenannten "Gezi-Prozesses" einen Umsturzversuch im Zusammenhang mit den regierungskritischen Gezi-Protesten von 2013 vor. Bei den 15 Mitangeklagten handelt es sich um Akademiker, Architekten und Schauspieler, die mittlerweile auf freiem Fuß sind. Unter ihnen ist auch der Journalist Can Dündar, der zurzeit in Deutschland lebt. Der Prozess wurde auf den 18. Februar 2020 vertagt.

Kavala wird beschuldigt, die Gezi-Proteste mit ausländischer Hilfe finanziert zu haben. Im Falle einer Verurteilung droht ihm lebenslange Haft. Der EGMR hatte in seiner Entscheidung am 10. Dezember festgestellt, dass dafür keinerlei Beweise vorgelegt worden seien, die Inhaftierung vielmehr der Einschüchterung diene.

Das Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen in Deutschland hatte auch Bundeskanzlerin Merkel aufgefordert, sich direkt bei Präsident Erdoğan gemäß dem EGMR-Urteil für die sofortige und bedingungslose Freilassung von Osman Kavala einzusetzen. Ebenso fordert das Bündnis die Freilassung des Schriftstellers Ahmet Altan und des Politikers und Autors Selahattin Demirtaş, die immer noch inhaftiert sind, obwohl auch in ihren Fällen namhafte internationale Juristen-Organisationen ihre Freilassung fordern. Die deutsche Bundesregierung sollte sich auf allen Ebenen für die Freilassung aller politischen Gefangenen einsetzen und auf die Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten in der Türkei drängen.

Osman Kavala hat sein Leben der Förderung von Zivilgesellschaft und Kultur in der Türkei gewidmet. In den vergangenen 30 Jahren hat er zahlreiche unabhängige Menschenrechtsorganisationen unterstützt und eine Reihe von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Verlagen mitgegründet, unter anderem die Helsinki Citizens’ Assembly (heute Citizens’ Assembly genannt) zur Förderung der Menschenrechte, Anadolu Kültür - eine der größten Kulturstiftungen des Landes zur Förderung der kulturellen Verständigung in der Türkei - und den İletişim Verlag, der Literatur und Sachbücher veröffentlicht, die sich häufig mit den Tabuthemen der türkischen Gesellschaft auseinandersetzen.

Der Fall von Kavala und seinen Mitangeklagten ist nur ein Beispiel für das harte Vorgehen der türkischen Regierung gegen ihre Kritiker: Seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 wurden etwa 1.500 Organisationen und Stiftungen geschlossen. Friedliche Proteste werden unterdrückt, wer sich kritisch über die Regierung äußert, muss damit rechnen, festgenommen zu werden. Aktuell sitzen mehr als 130 Medienschaffende im Gefängnis. Seit Juli 2016 wurde knapp 130.000 Beschäftigten des öffentlichen Dienstes wegen angeblicher "Verbindungen zu terroristischen Vereinigungen" gekündigt.

Köln, den 28. Januar 2020

Weitere Informationen und Rückfragen an: info@das-kulturforum.de

 

 

Deutschlands Türkei-Politik - Teil der Lösung oder des Problems?


 

Eine Diskussionsveranstaltung mit:

Doğan Akhanlı, Schriftsteller
Sevim Dagdelen, MdB, Die Linke
Volker Lösch, Regisseur der Oper „Fidelio“ in Bonn
Wolfgang Landgraeber, Journalist und Aktivist gegen Waffenexporte
Christian Johnsen, Pfarrer, Mitinitiator einer Klage gegen den Bundessicherheitsrat wegen Waffenexporten an die Türkei

Montag, 17. Februar 2020 um 18:30 in Hörsaal II im Hauptgebäude der Universität Köln, Albertus-Magnus-Platz

Wachsende Teile der Zivilgesellschaft wirken für die Entfaltung der „Magie der Solidarität“ (Dogan Akhanli), für die Befreiung der inhaftierten deutschen Staatsbürger und aller politischen Gefangenen in der Türkei und gegen den völkerrechtswidrigen Einmarsch in Nordsyrien. Aber die Bundesregierung setzt ihre Kumpanei mit dem Erdogan-Regime fort. Jetzt haben Kulturschaffende, Wissenschaftler, Menschenrechtler, Politiker und weitere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens unter dem Leitgedanken „Es ist in unser aller Hand, den Frieden möglich zu machen“ eine Erklärung veröffentlicht. Angesichts von Folter, systematischer Verletzung der Menschen- und Freiheitsrechte und gefährlicher Großmachtphantasien der türkischen Regierung fordern sie: Die deutschen Waffenexporte an den türkischen Staat müssen sofort und dauerhaft gestoppt, die wirtschaftliche Unterstützung für das Regime ausgesetzt und Abschiebungen in die Türkei beendet werden.

Trotz fortgesetzter Besatzungspolitik und Verletzungen der Menschenrechte ist die Türkei in der medialen Berichterstattung wieder in den Hintergrund geraten. In welcher Lage befindet sich die Bevölkerung in Nordsyrien und in der Türkei, was ist erforderlich für eine friedliche Lösung? Hat sich die Bundesregierung mit dem „Flüchtlingsdeal“ einseitig von der Türkei abhängig gemacht oder ist das türkische Regime angewiesen auf wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der EU und der Bundesrepublik? Wie kann die progressive Opposition zum Erdogan-Regime gestärkt werden? Können das Engagement für die Befreiung aller politischen Gefangenen und für die Beendigung der deutsch-türkischen Rüstungskooperation sich stärker gegenseitig bestärken?

Über diese und andere Fragen wollen wir mit allen Interessierten diskutieren. Der Eintritt ist kostenlos, um Spenden zur Finanzierung der Veranstaltung wird gebeten.

„Die Welt ist zum Verändern da, nicht zum Aushalten“ (Volker Lösch, Regisseur)

Veranstalter: Plenum Frieden und Freiheit für die Türkei und Kurdistan, KulturForum TürkeiDeutschland, Tüday - Menschenrechtsverein Türkei/Deutschland e.V., Kölner Friedensforum, Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, Lutherkirche Köln, Integrationsagentur AWO Mittelrhein e.V., "Der Wendepunkt - Sozialisten und weitere Aktive an der Uni Köln", Die Linke SDS Köln, Stimmen der Solidarität- Mahnwache Köln e.V.

 

Appell an die Bundeskanzlerin Merkel


 

"Setzen Sie sich bei Präsident Erdogan für die Freilassung von Osman Kavala und aller politischen gefangenen ein!"
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Amnesty International Deutschland, die Akademie der Künste, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union dju in ver.di, das KulturForum TürkeiDeutschland, das PEN-Zentrum Deutschland und Reporter ohne Grenzen Deutschland fordern die Bundeskanzlerin Merkel auf, sich bei ihrem Besuch in der Türkei beim Präsidenten Erdogan für die Freilassung von Osman Kavala und aller politischen Gefangenen in der Türkei einzusetzen. Der Prozess gegen Kavala wird am 28. Januar fortgesetzt.
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Der Prozess gegen den türkischen Verleger und Kulturmäzen Osman Kavala wird am 28. Januar in Istanbul fortgesetzt. Der 62-jährige Gründer der "Kulturstiftung Anadolu" wird seit dem 1. November 2017 im Hochsicherheitsgefängnis in Silivri bei Istnanbul festgehalten. Ihm und weiteren Angeklagten im Gezi-Prozess wird unter anderem ein Umsturzversuch im Zusammenhang mit den regierungskritischen Gezi-Protesten von 2013 vorgeworfen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte schon im Dezember 2019 die lange Untersuchungshaft für Kavala scharf verurteilt und seine sofortige Freilassung gefordert. Obwohl Urteile des Gerichts für die Türkei als Mitglied des Europarats bindend sind, lehnte sie Kavalas Freilassung bis jetzt ab. Mitangeklagt waren 15 weitere Akademiker, Architekten, Schauspieler, die mittlerweile auf freiem Fuß sind; darunter auch der prominente Journalist Can Dündar, der zzt. in Deutschland lebt.

Die Gezi-Proteste hatten sich ursprünglich gegen die Bebauung eines Parks bei Taksim-Platz in Istanbul gerichtet. Sie entwickelten sich dann zu landesweiten Demonstrationen gegen die autoritäre Politik des damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan.

Kavala wird unter anderem beschuldigt, die Proteste mit ausländischer Hilfe finanziert zu haben. Das EMGR hatte in seiner Entscheidung am 10. Dezember festgestellt, dass dafür keinerlei Beweise vorgelegt worden seien. Es war zu dem Schluss gekommen, dass Kavalas Inhaftierung ihn und mit ihm alle türkischen Menschenrechtsverteidiger zum Schweigen bringen sollte.

Das Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen in Deutschland fordert die Bundeskanzlerin Merkel auf, sich direkt beim Präsidenten Erdogan gemäß dem EGMR-Urteil für die sofortige und bedingungslose Freilassung von Osman Kavala einzusetzen. Ebenso fordern wir die Freilassung des Schriftstellers Ahmet Altan und des Politikers Selahattin Demirtas, die trotz Proteste internationaler Juristen-Organisationen immer noch festgehalten werden. Die deutsche Bundesregierung sollte sich auf allen Ebenen für die Freilassung aller politischen Gefangenen einsetzen und auf die Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten in der Türkei drängen.

Osman Kavala hat sein Leben der Förderung der Zivilgesellschaft und der Kultur in der Türkei gewidmet. In den vergangenen 30 Jahren hat er zahlreiche unabhängige Menschenrechtsorganisationen unterstützt und eine Reihe von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Verlagen mitgegründet, so zum Beispiel die Helsinki Citizens’ Assembly (jetzt genannt Citizens’ Assembly) zur Förderung der Menschenrechte, Anadolu Kültür, eine der größten Kulturstiftungen des Landes zur Förderung der kulturellen Verständigung in der Türkei und den İletişim Verlag, der Literatur und Sachbücher veröffentlicht, die sich häufig mit den Tabuthemen der türkischen Gesellschaft auseinandersetzen.

Der Fall von Kavala und seinen Mitangeklagten ist nur ein Beispiel für das harte Vorgehen der türkischen Regierung gegen ihre Kritiker: Während des immer noch geltenden Ausnahmezustands seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 wurden etwa 1.500 Organisationen und Stiftungen geschlossen. Friedliche Proteste werden unterdrückt, wer sich kritisch über die Regierung äußert, muss damit rechnen, festgenommen zu werden; aktuell sitzen mehr als 130 Medienschaffende im Gefängnis. Seit Juli 2016 ist knapp 130.000 Beschäftigten des öffentlichen Dienstes willkürlich gekündigt worden, weil ihnen angebliche "Verbindungen zu terroristischen Vereinigungen" vorgeworfen werden.

 

Hrant Dink (ge)denken - Frankfurt, 19. Januar 2020


 

Vor 12 Jahren, am 19. Januar 2007, wurde der armenische Journalist Hrant Dink vor dem Gebäude seiner Zeitung "AGOS" in Istanbul erschossen. Auch wenn der Mörder gefasst und verurteilt wurde, wurden die Drahtzieher im Staatsapparat bis heute nicht zur Verantwortung gezogen. Das hat Gründe. Hrant Dink setzte sich stets für die Versöhnung zwischen Armenier*innen und Türk*innen ein, thematisierte kompromisslos die Verantwortung der Täter am Genozid damals und forderte unermüdlich die Demokratisierung der Türkei.

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Can Dündar, ehemaliger Chefredakteur von "Cumhuriyet", hat eine Auswahl von Hrant Dinks Texten zusammengestellt, kontrastiert durch Protokolle des Prozesses gegen die Mörder.

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Der Abend wurde durch mehreren Interviews und ein Konzert gerahmt. Neben einer Filmcollage über Hrant Dink und sein Wirken von Osman Okkan wurde auch der Animationsfilm "No darkness can make us forget" von Hüseyin Karabey gezeigt.

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Neben Anadolu Türküleri Lieder aus Anatolien waren in diesem Jahr auch KulturForum TürkeiDeutschland, medico international, Avrupa Postasi und arti49.com Mitveranstalter der Gedenkfeier für Hrant Dink in Frankfurt - mit Can Dündar, Banu Güven, Raffi Kantian, Cem Özdemir und Osman Okkan. Den musikalischen Teil übernahmen Lale Koçgün & Ensemble mit armenischen, kurdischen und türkischen Liedern.

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Herzlichst bedanken wir uns bei allen Mitwirkenden und Gästen!

 

Gedenken - Dialog - Gerechtigkeit - Köln, 18. Januar 2020


 

Köln - 18.01.2020

In Gedenken an Hrant Dink
Am 19.01.2020 jährte sich zum 13. Mal der Tag, an dem der armenische Journalist Hrant Dink in Istanbul auf offener Straße Opfer eines Mordanschlags wurde. Bis heute wurden einzelne Personen, so auch der damals 17-jährige Ogün Samast als mutmaßlicher Auftragsmörder wegen dieser Tat angeklagt und verurteilt. Der Prozess, bei dem die wahren Täter und Auftraggeber dieses Mordes offenbar nach wie vor verschleiert werden, dauert jedoch immer noch an. * Die diesjährige Veranstaltung mit Beiträgen von Dogan Akhanli (Szenische Lesung aus "Annes Schweigen" mit Dilan Yazıcıoğlu), Berivan Aymaz (MdL - sie konnte aus gesundheitlichen Probleme leider nicht kommen), Can Dündar (Journalist), Raffi Kantian (Autor und Vorsitzender der Deutsch-Armenischen-Gesellschaft) und Osman Okkan (Video-Collage "in memoriam Hrant Dink") in Köln fand am 18. Januar 2020 in der Alten Feuerwache statt. Wir haben uns sehr gefreut, dass auch der neue Primas der Armenischen Kirche in Deutschland, seine Exzellenz Bischof Serovpé Isakhanyan, uns zum ersten Mal beehrt hat. Den musikalischen Teil gestalteten Nare Karoyan (Piano) und Judith Hoffmann (Gesang). * Veranstalter: Hrant-Dink-Forum Köln, KulturForum TürkeiDeutschlandTüday - Menschenrechtsverein Türkei/Deutschland e.V., Integrationsagentur AWO Mittelrhein und Multikulturelles Forum * Unterstützt durch: Deutsch-Armenische Gesellschaft, Armenische Gemeinde Köln e. V., VHS Köln * Alle Fotos © Klaus Müller / Weitere Fotos von der Gedenkveranstaltung (© Klaus Müller) ► https://photos.app.goo.gl/TFg9LsnoeUxbNWre7 * Herzlichst bedanken wir uns bei allen Mitwirkenden und Gästen!

 

New Wave Minds - Perspektiven der neuen Diaspora aus der Türkei


 

Wie sieht die Zukunft der Demokratie aus, wenn Menschen aufgrund von Repressionen und Sanktionen fliehen müssen und in der Zuflucht nicht ihre Rechte ausleben können?


Die gravierenden Einschränkungen von Grundrechten und die Befürchtung von Repressionen in der Türkei, führten zu einer neuen Migrationsbewegung, die sich „New Wave“ nennt. Jedoch treffen sie in Deutschland wiederum auf Ausgrenzung, geforderter Integration und mangelnder demokratischer Beteiligungsrechte. Die demokratische Beteiligung der Migrant*innen hier stellt uns vor dem Hintergrund von Aufenthaltsstatus und Staatsbürgerschaft vor neue und alte Fragen. Die Podiumsdiskussion und die Erfahrungsberichte von unseren Gästen wie Mirza Metin (Theaterautor), Cemil Özdemir (Kriegsdienstverweigerer), Dr. Nevra Akdemir (Universität Osnabrück, Akademiker*innen für den Frieden) und Aslı Telli (Universität Siegen, Akademiker*innen für den Frieden) werden uns ein lebendiges Bild über die Situation vermitteln. Die Veranstaltung wird von Tayfun Guttstadt (KulturForum TürkeiDeutschland e.V.) moderiert und von Çiler Fırtına übersetzt.

Türkiye’de yaşayan insanların temel haklarının kısıtlanması ve baskı altında bulunmaları “New wave” yani “Yeni Dalga” adında yeni bir göç dalgası oluşmasına sebep oldu. Ancak Almanya’ya gelen bu insanlar, burada dışlanma ile ve demokratik haklarının eksikliği ile karşılaşıyorlar. Buradaki göçmenlerin eşit bir şekilde Almanya’ya katılımı, vatandaşlık hakları ve ikamet durumları gibi eski veyeni sorunlar etkinlikte konu edilecektir. Mirza Metin (oyun yazarı), Cemil Özdemir (Vicdani retçi), Dr. Nevra Akdemir (Osnabrück Üniversitesi, Barış Akademisyenleri) ve Aslı Telli (Siegen Üniversitesi, Barış Akademisyenleri) gibi misafirlerimiz tarafından yaşanan durumlar panel şeklinde dinleyicilerimizle paylaşılacaktır. Panel dili Almancadır ancak tüm katılımcıların panel kurallari çerçevesinde Türkçe konuşmaları serbesttir.

 

In Gedenken an Hrant Dink


Vor 12 Jahren, am 19. Januar 2007, wurde der armenische Journalist Hrant Dink vor dem Gebäude seiner Zeitung »Agos« in Istanbul erschossen. Auch wenn der Mörder gefasst und verurteilt wurde, wurden die Drahtzieher im Staatsapparat bis heute nicht zur Verantwortung gezogen. Das hat Gründe. Hrant Dink setzte sich stets für die Versöhnung zwischen Armenier*innen und Türk*innen ein, thematisierte kompromisslos die Verantwortung der Täter am Genozid damals und forderte unermüdlich die Demokratisierung der Türkei.

Can Dündar, ehemaliger Chefredakteur von »Cumhuriyet«, hat eine Auswahl von Hrant Dinks Texten zusammengestellt, kontrastiert durch Protokolle des Prozesses gegen die Mörder.

Der Abend wird durch zwei Filme, ein Podiumsgespräch und ein Konzert gerahmt. Der Kurzfilm Im Schwalbennest (2007) erzählt von dem armenischen Waisenhaus bei Istanbul, an dessen Aufbau Dink selbst als Kind beteiligt war. Der Film Ein Chor (1996) über einen armenischen Chor in Paris vermittelt einen Eindruck vom Leben in der Diaspora.

Neben Anadolu Türküleri Lieder aus Anatolien sind in diesem Jahr auch KulturForum TürkeiDeutschland, medico international, Avrupa Postasi und arti49.com Mitveranstalter der Gedenkfeier für Hrant Dink in Frankfurt - mit Can Dündar, Banu Güven, Raffi Kantian, Cem Özdemir und Osman Okkan. Den musikalischen Teil übernehmen Lale Koçgün & Ensemble mit armenischen, kurdischen und türkischen Liedern.

Ticket-Reservierungen unter 0177 89 37 490

Eintritt: 15,00 Euro

Titus Forum
Walter Möller Platz 2
Nordwestzentrum
60439 Frankfurt am Main

 

Gedenken - Dialog - Gerechtigkeit


 

In Gedenken an Hrant Dink

Am 19.01.2020 jährt sich zum 13. Mal der Tag, an dem der armenische Journalist Hrant Dink in Istanbul auf offener Straße Opfer eines Mordanschlags wurde.

Bis heute wurden einzelne Personen, so auch der damals 17-jährige Ogün Samast als mutmaßlicher Auftragsmörder wegen dieser Tat angeklagt und verurteilt. Der Prozess, bei dem die wahren Täter und Auftraggeber dieses Mordes offenbar nach wie vor verschleiert werden, dauert jedoch immer noch an.

Die diesjährige Veranstaltung mit Beiträgen von Dogan Akhanli (Szenische Lesung aus „Annes Schweigen“ mit Dilan Yazıcıoğlu), Berivan Aymaz (MdL) Can Dündar (Journalist), Raffi Kantian (Autor und Vorsitzender der Deutsch-Armenischen-Gesellschaft) und Osman Okkan (Video-Collage „in memoriam Hrant Dink“) in Köln findet am 18. Januar 2020 um 16 Uhr in der Alten Feuerwache statt. Den musikalischen Teil gestalten Nare Karoyan (Piano) und Judith Hoffmann (Gesang).

Veranstalter: Hrant-Dink-Forum Köln, KulturForum TürkeiDeutschland, Tüday - Menschenrechtsverein Türkei/Deutschland e.V., Integrationsagentur AWO Mittelrhein und Multikulturelles Forum
Unterstützt durch: Deutsch-Armenische Gesellschaft, Armenische Gemeinde Köln, VHS Köln

Alte Feuerwache Köln
Großer Saal
Melchiorstraße 3, 50670 Köln
Eintritt: 10,00 Euro (nur Abendkasse)

 

Fidelio - Oper in zwei Aufzügen


 

Die erste FIDELIO-Inszenierung des Beethoven-Jahres 2020 sorgte bundesweit für großes Aufsehen. In einer fulminanten Inszenierung geht das Team um Regisseur Volker Lösch "mit Beethoven über Beethoven hinaus", indem es FIDELIO mit aktuellen Geschichten von politischen Gefangenen in der Türkei und deren Angehörigen auflädt!

Siehe auch => Theater Bonn

 

 

EGMR: Freiheit für Osman Kavala


 

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte fordert:
Sofortige Freilassung Osman Kavala

Seit mehr als zwei Jahren ist Osman Kavala als vermeintlicher Drahtzieher der Gezi-Proteste im Hochsicherheitsgefängnis in Silivri/Istanbul inhaftiert. Er ist gemeinsam mit dem Journalisten Can Dündar, der Architektin Ayşe Mücella Yapıcı, dem Schauspieler Mehmet Ali Bora und weiteren 12 Personen angeklagt, einen gewaltsamen Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung betrieben zu haben. Präsident Erdoğan hatte unmittelbar nach den Gezi-Prozessen Kavala als "roten Soros" und Hauptverantwortlichen für die Proteste bezeichnet und seine Verurteilung gefordert.

Die Anschuldigungen und die in der Anklage erhobenen Vorwürfe gegen Kavala und die weiteren Gezi-Angeklagten entbehren jedoch auch nach Ansicht internationaler Juristenorganisationen jeder juristischen Grundlage.

Ähnlich sieht dies auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), der mit seiner Entscheidung vom 10.12.2019 bestimmt hat, dass die Inhaftierung von Osman Kavala verschiedene Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt, u.a. das Recht auf Freiheit und Sicherheit sowie auf ein zügiges und faires Verfahren. Aus diesen Gründen hat der EGMR die Republik Türkei aufgefordert Osman Kavala unverzüglich aus der Haft zu entlassen. Dies ist bis heute nicht geschehen.

Die nächsten Verhandlungstage im Gezi-Prozess sind auf den 24. und 25. Dezember 2019 terminiert.

Lesen Sie dazu auch den ausführlichen Bericht von Christiane Schlötzer in der Süddeutschen Zeitung.

Den vollständigen Text der Entscheidung des EGMR finden Sie hier: EG für Menschenrechte. Geben Sie hierzu unter der Stichwortsuche „Osman Kavala“ ein.

Foto © bianet

 

Das KulturForum TürkeiDeutschland auf der Frankfurter Buchmesse!


 

16.-20. Oktober 2019, Halle 3.1 J2
Die größte Buchmesse der Welt hat ihre Tore heute eröffnet und das KulturForum TürkeiDeutschland ist wieder mit einem interessanten Rahmenprogramm vertreten.

Unter dem Motto #FreeWordsTurkey bezieht das KulturForum in Zusammenarbeit mit Amnesty International in Deutschland, der Akademie der Künste, dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di, dem PEN-Zentrum Deutschland und Reporter ohne Grenzen sowie in Zusammenarbeit mit dem Belge-Verlag und dem Multikulturellen Forum e.V. Stellung für Demokratie und Meinungsfreiheit in der Türkei.

Unser Gesamtprogramm mit zahlreichen Autoren und Journalisten sowie weitere Informationen finden Sie auf unserer Website FreeWordsTurkey:
www.freewordsturkey.com

Wir freuen uns, Sie auf der Frankfurter Buchmesse begrüßen zu dürfen.

 

 

Netzwerk Exil: Türkei


 

Das vom Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen geförderte Projekt „Beratung Zuflucht suchender Menschen“ des KulturForums TürkeiDeutschland e. V. richtet sich an Menschen aus der Türkei, die aus politischen Gründen ihre Heimat verlassen mussten. Das Projekt bietet in Nordrhein-Westfalen Hilfestellungen und Beratung an, um sich in der aufnehmenden Gesellschaft in zurechtzufinden.

Gleichzeitig soll durch das Projekt bürgerschaftliches Engagement gefördert und die Integration der Klient*innen in der Kölner Stadtgesellschaft gestärkt werden. Besondere Sprechstunden mit erfahrenen Expert*innen finden nach einer Terminvereinbarung über das Kontaktformular für Akademiker*innen jeweils Dienstags von 12.00 bis 14.00 Uhr und für Künstler*innen, Journalist*innen u.a. von 14.00 bis 16.00 Uhr statt.

Weitere Infos

http://www.netzwerk-exil-tuerkei.nrw

 


Aktuelles auf facebook


Auf facebook und Twitter ist das KulturForum mit aktuellen Berichten, Terminen und Links vertreten.

 


#FreeWordsTurkey


 

Besuchen Sie uns auch auf unserer Seite =>

freewordsturkey.com

 

Can Dündar droht in der Türkei die Enteignung


 

Am 17. September entschied ein Gericht in Istanbul, dass Can Dündars gesamter Besitz in der Türkei, einschl. das Haus, in dem seine Mutter wohnt, beschlagnahmt wird, wenn er nicht binnen 15 Tagen in die Türkei zurückkehrt und sich dort der Justiz stellt.

Der frühere Chefredakteur der Tagesseitung "Cumhuriyet" war 2015 in Istanbul wegen "Spionage und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" angeklagt, nachdem er in seiner Zeitung Dokumente veröffentlicht hatte, die Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes an islamistische Gruppen in Syrien belegten.

Die Anklage ging auf eine persönliche Anzeige von Staatschef Recep Tayyip Erdogan zurück: "Das lasse ich so nicht durchgehen”, sagte Erdogan damals im TRT-Fernsehen, "er wird einen hohen Preis bezahlen."

Im Juni 2019 konnte seine Frau Dilek Dündar nach Deutschland fliehen. Bis dahin hatten die türkischen Behörden sie mit einer Ausreisesperre als "Geisel" in der Türkei festgehalten.

Can Dündar kommentierte den Beschluss des Gerichts in özgürüz.com: Das Gericht habe in vier Minuten entschieden, seinen Besitz zu konfiszieren, den seine Frau und er sich in 40 Berufsjahren als Journalist, Dokumentarfilmer und Schriftsteller erarbeitet hätten. Er will trotz der Drohung nicht in die Türkei zurückkehren. Mit der angedrohten Konfiszierung seines Besitzes solle er gezwungen werden, sich "einer Justiz zu stellen, deren Staatsanwälte auf Weisung Prozesse anstrengen und deren Richter auf Befehl Urteile sprechen", schrieb Dündar.

Deutsche Übersetzung seines Kommentars "Preis, Journalist zu sein" finden Sie hier:

►https://ozguruz.de/newsletter-de/

Foto © Klaus Müller

 

What did Kavala do?


 

Was also hat Osman Kavala getan? Diese so einfache wie schwer zu beantwortende Frage durchbricht den Gewöhnungseffekt, der angesichts der Massenverhaftungen in der Türkei längst eingesetzt hat. In den sozialen Medien veröffentlicht die Initiative"'Artists United for Osman Kavala" jeden Tag ein kurzes Video, in dem Freund*innen, Künstler*innen, Journalist*innen und Intellektuelle von Kavalas Arbeit erzählen.

(>> Link)

 

Verfolgte brauchen Solidarität


 

In der Türkei hat sich die Menschenrechtslage drastisch verschlechtert. Das Recht auf freie Meinungsäußerung gerät immer mehr unter Druck. Seit dem Putschversuch im Juli 2016 geht die türkische Regierung vehement gegen alle regierungskritische Stimmen und Oppositionelle vor. Medien und zivilgesellschaftliche Organisationen werden verboten, zahlreiche Firmen unter Zwangskuratel gestellt.

Bisher sind rund 125.000 Staatsbedienstete suspendiert und rund 41.000 Personen festgenommen worden, fast 200 Journalisten sind in Haft. Unter den Dekreten des Ausnahmezustandes können Verhaftete bis zu 30 Tage ohne Gründe festgehalten werden. Die Rechte der Gefangenen auf ein faires Verfahren werden unterminiert. Viele Inhaftierte warten teilweise seit Monaten auf eine Anklageerhebung.

Deshalb haben litCologne und das KulturForum TürkeiDeutschland einen Rechtshilfefonds initiiert. Mit diesem Fonds werden Verfolgte im Hinblick auf die Verteidigungskosten unterstützt. Ein unabhängiges Gremium, zu dem auch Günter Wallraff, RAin Rafaela Wilde, Bernd von Grünberg und Rainer Osnowski gehören, entscheidet über die Vergabe und berichtet halbjährlich über die Aktivitäten.
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Wir danken für Ihre Unterstützung.

Eine Kooperation von litCologne und KulturForum TürkeiDeutschland e.V.

 

 


Türkei-Tribunal tagt im September in Genf


 

Das geplante Tribunal geht auf die Initiative der belgischen Anwaltskanzlei Van Steenbrugge Advocaten (VSA) zurück und soll über die jüngsten Menschenrechtsverletzungen in der Türkei urteilen, darunter Folter, Entführungen, Mängel in der Presse- und Meinungsfreiheit, und das Recht auf ein faires Verfahren.

"Das Tribunal ist kein rechtsverbindliches Organ, doch die Entscheidung des Tribunals wird eine hohe moralische Wirkung haben", so die Erklärung der Initiatoren. Alle Dokumente, Zeugenaussagen und das Urteil der Richter sollen anschließend auf der Webseite des Tribunals veröffentlicht werden.
Das Türkei-Tribunal findet vom 21. bis 25. September 2020 in Genf statt. Auch die Türkei ist eingeladen, an den Verhandlungen teilzunehmen.

Informationen dazu auf Englisch gibt es auf den Seiten von Stockholm Center for Freedom.
Auf Türkisch berichtete Ahval News.

 

Wir trauern um Dr. Mehmet Aktan


  

Er war einer der dienstältesten Journalisten in der türkischsprachigen Medienlandschaft in Deutschland. Seit den 70ern war Mehmet Aktan Reporter mit Leib und Seele für Hörfunk, Zeitungen und Nachrichtenagenturen, u.a. für den WDR, die Deutsche Welle, den TRT, die Milliyet, Hürriyet und die Doğan Haber Ajansı. Er begleitete und informierte die deutsch-türkische Gesellschaft wie kaum ein anderer. Er berichtete sowohl aus dem Bundestag als auch aus Türkenviertel. Politik, Gesellschaft, Soziales, Service… Seine Bandbreite war groß, seine Gründlichkeit sein Markenzeichen. Als „ein Journalist, der die Geschichte der Türken in Deutschland geschrieben hat“, wurde er von seinen Kollegen bezeichnet. Nach langer Krankheit verstarb Mehmet Aktan am 5. Februar in Köln. Er wurde 71 Jahre alt.

(>> Link)

(>> Link)

 

Das AKP-Regime konfisziert auch Rentenzahlungen an Ragıp Zarakolu


 

Der Verleger Ragıp Zarakolu ist den Herrschenden in der Türkei schon immer ein Dorn im Auge - sein Verlag Belge Yayınları hat es sich zur Aufgabe gemacht, auch die dunklen Kapitel der türkischen Geschichte zu beleuchten, wie den Völkermord an den Armeniern. Zahlreiche Klagen haben seine verstorbene Frau Ayse Zarakolu (Internationaler Preis für publizistische Freiheit 1998) und er über sich ergehen lassen müssen. Ragip Zarakolu floh zuletzt vor der sicheren Haft in der Türkei nach Schweden und ist seit mehreren Jahren mit seinem Verlag an einem gemeinsamen Stand mit dem KulturForum ("freewordsturkey") bei der Buchmesse Frankfurt vertreten. Der türkische Staat hat nun in seiner Abwesenheit neben Teilen seines verbliebenen Besitzes auch seine Rentenzahlungen beschlagnahmt. (Foto: Hürriyet)

Details in der Cumhuriyet vom 25.12.2019 (Türkisch)

 

 

"Mir wurden Jahre meines Lebens gestohlen"


 

Osman Kavala ist eine der prägendsten Figuren der türkischen Zivilgesellschaft. Seit Oktober 2017 sitzt er im Gefängnis von Silivri in Untersuchungshaft. Die türkische Justiz wirft ihm vor, die Gezi-Park-Proteste im Jahr 2013 finanziert und initiiert zu haben - mit der Absicht, die türkische Regierung zu stürzen. Ihm droht eine lebenslange Freiheitsstrafe. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) kam am 10. Dezember zu dem Urteil, dass Kavala aus "politischen Gründen" verhaftet wurde. Seine Inhaftierung diene dazu, "die Menschenrechtsverteidiger zum Schweigen zu bringen". Das europäische Gericht forderte seine "sofortige Freilassung". Die DW besuchte den türkischen Kulturmäzen und Geschäftsmann im Gefängnis und sprach mit ihm exklusiv über sein Gerichtsverfahren, das Leben im Gefängnis und über sein zivilgesellschaftliches Engagement.

Das Interview (>> LINK)

 

 

Erdogans AKP: Eine Partei verändert die Türkei | Doku | ARTE


 

Bis vor wenigen Jahren trat die Türkei als zuverlässiger Partner der Europäischen Union auf. Doch seit 2016 schreitet ihre Transformation unter Präsident Recep Tayyip Erdogan voran. 2023, zum 100. Jahrestag der türkischen Republik, soll sich eine "neue Türkei" zeigen. Welche Rolle wird Erdogans AKP dabei spielen? Die Doku von Osman Okkan und Halil Gülbeyaz hinterfragt die Motivationen, Mittel und Ziele der AKP.

(>> LINK)

 

Gülen gegen Erdogan - Die freundlichen Islamisten? | Doku | ARTE




Die Gülen-Bewegung war bis 2016 eine Stütze des Erdogan-Regimes, heute ist sie Staatsfeind Nr. 1. Hunderttausende Anhänger wurden nach dem Putschversuch verfolgt, Tausende flohen ins Ausland. Tot ist die Bewegung damit aber nicht. Ist die Gülen-Bewegung eine radikale Sekte oder, wie sie behauptet, eine friedliche Einrichtung, die auf Völkerverständigung und Bildung basiert? Eine Doku von Osman Okkan und Halil Gülbeyaz.

(>> LINK)

 

"Ich kann jeden Moment ins Gefängnis kommen"


"Ich glaube an das, was ich tue. Und wenn du tust, woran du glaubst, wird dir sogar dein Gegner Respekt zollen. Das habe ich oft genug erlebt. Ich bin zum Beispiel noch nie von einem Richter beschimpft worden, der mich verurteilt hat. Sie alle haben die Strafen gegen mich mit Bedauern ausgesprochen." - Eren Keskin

Das Interview (>> LINK)

 

 

Friedenspreisträgerin in der Türkei zu Haft verurteilt


Vor wenigen Wochen noch hatte die Vorsitzende der türkischen Menschenrechtsstiftung Şebnem Korur Fincanci den Hessischen Friedenspreis in Wiesbaden bekommen. Nun wurde die Menschenrechtlerin in der Türkei zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Vorwurf: "Terrorpropaganda".

Fincanci hatte im Jahr 2016 die Friedenspetition "We will not be a party to this crime" unterschrieben. Sie ist eine von über 1.000 Akademikern, die diese Friedenspetition unterzeichnet haben. Laut Medienberichten muss sie die Haft tatsächlich antreten.

(>> LINK)

 

 

"Wenn dein Land nicht mehr dein Land ist oder Sieben Schritte in die Diktatur"


 

Das neue Buch von Ece Temelkuran 

Erscheinungsdatum: 01.04.2019
... und im März kommt die brillante Autorin nach Deutschland!

(>> LINK)

 

KulturForum TürkeiDeutschland e.V.  Niederichstr. 23 . D - 50668 Köln . phone +49 (0)221 - 12 09 06 80 . fax - 139 29 03 . info@das-kulturforum.de