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"Selbst in Momenten, die einen aufs Äußerste einengen, kann er diese Enge durch sein Lächeln überwinden”


Ümit Kıvanç über den in der Türkei festgenommenen Autor Aydın Engin

Die Razzia bei der Zeitung „Cumhuriyet“ ist ein Indiz dafür, wohin die Reise der derzeitigen Herrschaftskoalition gehen könnte. Doch dies ist eine Reise, die niemand, auch nicht die heutigen, unbarmherzigen Inhaber der Macht unbeschadet werden beenden können. Wir können die politischen Dimensionen dieser Frage diskutieren, unsere Erwartungen projizieren. Aber angesichts der Sorgen, die wir uns um jene Menschen machen, die einer nach dem anderen zum Ziel der Tyrannei werden, mag niemand jene Schritte unternehmen, die Bedachtsamkeit erfordern. 

Hinzu kommt, dass Leute wie ich, jene, die ihn kennen, große Mühen haben werden, wenn sie die Schritte ohne Aydın Abi unternehmen werden. Lassen wir einmal die Trauer beiseite, lassen wir einmal beiseite, uns darüber zu grämen, dass er seiner Freiheit beraubt ist und sich unter schwierigen Bedingungen befindet. Seine Wärme nicht zu spüren, seine Energie, nicht diese beruhigende Wirkung empfinden zu können, die von ihm als Mensch ausgeht, der sein Eintreten für Recht und Gerechtigkeit zu einer ganz alltäglichen Lebensweise entwickelt hat, dies lässt einen Menschen schon wanken. In jüngster Zeit hat er diverse Kämpfe um seine Gesundheit geführt. Ohne, dass er seinem Umfeld zur Last geworden wäre. Selbst in Momenten, die einen aufs Äußerste einengen, kann er diese Enge durch sein Lächeln überwinden.

Halil Ergün hat anlässlich einer der Gedenkfeiern zum 19. Januar gesagt: „Wann immer ich wegen eines Protestes, um Widerstand zu leisten oder zu kämpfen, irgendwohin gegangen bin, habe ich mich stets in Sicherheit gefühlt, wenn ich den Rücken von Aydın gesehen habe. Denn ich habe immer gewusst, dass ich am richtigen Ort bin, dass ich etwas Gerechtes mache, wenn ich ihm folge.“ Um Missverständnissen vorzubeugen: Aydın Abi ist nicht die Verkörperung eines stählernen Führungscharakters, der laut aufschreiend die Massen hinter sich mobilisiert. Aydın Abi ist Aydın Abi, der fehlbar ist, der niemals den Abi heraushängt. Und dass er nicht im Entferntesten daran denkt so zu sein, spürt man bei ihm jederzeit. Ein Freundmensch. Du lächelst mit ihm, dann mag er Esprit, er mag es, ein hinterhältiges Schlitzohr zu sein und zu lachen; du diskutierst mit ihm, dann mag er es Gedanken zu entwickeln und sich hierüber auseinanderzusetzen; du findest gemeinsame Auswege mit ihm, dann mag er es, zusammen zu sein, solidarisch und kollektiv; und wenn du dich mit ihm nicht verstehst, dann verstehst du dich nicht mit ihm, das ändert nichts an seiner Liebe, es ist, was es ist, niemals täuscht er. Er ist einer der raren Menschen aus der Türkei, die diesen Gedanken von Demokratie und Pluralismus, deren Geist wirklich verinnerlicht und sich zu Eigen gemacht haben, ein Mensch, der dieses zum Maßstab seines Lebens und seines Engagements hat werden lassen.

Nun habe ich versucht, kurz zu beschreiben, was er für seine nahen und anderen Freunde, was er für uns bedeutet, und doch waren so viele Worte nötig. Natürlich hätte ich auch einen Tweet „Aydın Abi, den gibt’s nur einmal“ absetzen können (übrigens: mittels dieses Mediums hat sich aus der Kloakenschicht unserer Gesellschaft ein Schwall von Beschimpfungen und Beleidigungen ergossen). Und von hier aus wollte ich dies nur wiederholen. Von dieser Stelle grüße ich auch meine anderen Freunde und Bekannten, die anlässlich der Razzia bei der „Cumhuriyet“ festgenommen wurden. Ihr sollt wissen, dass unsere Gedanken bei euch sind. Ich wünsche mir, dass dieser Amokzustand alsbald ein Ende findet, bevor dieses nicht hinnehmbare Unrecht sich zu einer Katastrophe entwickelt, die nicht mehr umkehrbar ist und, dass ihr alle freigelassen werdet.

Aus dem Türkischen von Cenap Boztepe.

Foto: In den Jahren seines Exils, während der Zeit nach dem Militärputsch vom 12. September 1980, bestritt Aydın Engin seinen Lebensunterhalt als Taxifahrer. Diese Jahre beschreibt er in seinem Buch “Als ich Taxifahrer in Frankfurt war”.



In den Jahren seines Exils, während der Zeit nach dem Militärputsch vom 12. September 1980, bestritt Aydın Engin seinen Lebensunterhalt als Taxifahrer. Diese Jahre beschreibt er in seinem Buch “Als ich Taxifahrer in Frankfurt war”.

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